Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit

Amtsgericht beurteilt städtische Auflagen als rechtswidrig

Ein Gerichtsverfahren gegen den Geschäftsführer der Grünen Liste endete am 11. Juni 2010 mit einem Freispruch. Ihm war vorgeworfen worden, als Anmelder einer Kundgebung bei der im rechten Spektrum verankerte Burschenschaft Frankonia gegen städtische Auflagen verstoßen zu haben. Das Urteils liegt nun schriftlich vor. „Der Angeklagte war insgesamt freizusprechen“, führt die Richterin in ihrer Begründung aus, „da zum Teil rechtswidrige Auflagen gemacht wurden, zum Teil Verstöße nicht begangen wurden.“

Wolfgang Winkler sieht sich in seiner Einschätzung bestätigt, dass vom Ordnungsamt erlassene Beschränkungen „unverhältnismäßig und nicht nachvollziehbar sind“. Der GL-Stadtrat ist von Beruf Rechtsanwalt und war als Verteidiger an diesem Verfahren beteiligt. „Dieses Urteil ist ein eindeutiger Hinweis an die Stadtverwaltung“, führt Winkler dazu aus, „dass in Erlangen dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit ein höherer Stellenwert eingeräumt werden muss.“

Die Verwaltung will nun ihre bisherige Praxis überprüfen.

Die Urteilsbegründung im Wortlaut:

Ausfertigung AMTSGERICHT ERLANGEN

6 Cs 402 Js 51616/09

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

(…)

Gründe:

Dem Angeklagten war zur Last gelegt worden sich eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz schuldig gemacht zu haben.

Am 30.10.2009 war der Angeklagte Versammlungsleiter bezüglich einer Versammlung in der Loewenichstr. 10 – 14 in Erlangen in der Zeit zwischen 19.00 Uhr und 22.00 Uhr. Es sollte gegen den Besuch des iranischen Generalkonsuls bei der Burschenschaft Frankonia mit etwa 60 teilnehmenden Personen protestiert werden. Die Stadt Erlangen hatte dem Angeklagten die Durchführung dieser Versammlung unter Auflagen genehmigt. Die Auflagen lauteten u. a.:

Der Veranstalter hat pro zehn Teilnehmern einen volljährigen Ordner während der gesamten Kundgebung einzusetzen. Alkoholisierten Personen ist die Teilnahme an der Versammlung nicht gestattet. Der Alkoholkonsum ist während der Veranstaltung untersagt. Erkennbar unter Alkohol stehende Personen sind von der Kundgebung auszuschließen.

Der aus Ziffer 2 der Bestätigung sich ergebende von der Anmeldung abweichende Kundgebungsort ist einzuhalten.

Hierzu ist auszuführen, dass der Teilnahmeort mit Bescheid vom 29.10.2009 von der Loewenichstraße 16 verlegt wurde auf die gegenüberliegende östliche Gehwegseite der Anwesen Loewenichstr. 10 und 14.

Dem Angeklagten war vorgeworfen worden, dass mehrere erkennbar alkoholisierte Personen vor Ort gewesen seien. Mindestens zehn Teilnehmer hätten Alkohol aus mitgebrachten Bier-, Wein- oder Wodkaflaschen konsumiert. Der Angeklagte soll nicht für eine Unterlassung des Alkoholkonsums gesorgt und auch die konsumierenden Personen von der Kundgebung nicht ausgeschlossen haben. Der Angeklagte soll weiter keine Ordner eingesetzt haben. Weiter soll der Angeklagte nicht dafür gesorgt haben dass sich die Kundgebung auf den festgesetzten Bereich beschränkt habe. Zwischen 18.15 Uhr und 19.26 Uhr sei der Angeklagte wiederholt aufgefordert worden für die Einhaltung des Kundgebungsortes zu sorgen. Er habe dies auch versucht. Es sei ihm jedoch nicht gelungen.

1. Ordnereinsatz

Die Hauptverhandlung hat ergeben dass vor Ort mindestens fünf Ordner eingesetzt waren. Hier existiert die Aussage des Zeugen xxxxxxx der sich selber als Ordner bezeichnet hat und als weitere Ordnerin Frau xxxxxx angab. Weiter wurden vernommen die Zeugen xxxxxxx und xxxxxxx sowie. Alle Zeugen sagten aus sie seien vor Ort als Ordner unterwegs gewesen, sie hätten auch mehrere Personen auf Alkohol und Verlegung des Versammlungsortes angesprochen. Diese Ordner waren, wie ebenfalls von allen eindeutig erklärt wurde, nicht gekennzeichnet. Sie sind aber vor Ort anwesend gewesen und haben Funktionen von Ordnern durchgeführt. Das Gericht hat keinerlei Anhaltspunkte diesen Zeugenausagen keinen Glauben zu schenken. Sämtliche Zeugen machten einen glaubwürdigen Eindruck und haben ihre Aussage nachvollziehbar und klar begründet. Damit war davon auszugehen dass Ordner vorhanden waren. Soweit die Stadt Erlangen gefordert hatte pro zehn Demonstranten einen Ordner einzusetzen, scheint diese Anzahl im Vergleich zu anderen Fallen als relativ hoch. Bei einer Kundgebung zum 1. Mai wurde durch die Stadt Erlangen z. B. verlangt pro fünfzig Teilnehmer einen volljährigen Ordner einzusetzen. Eine besondere Gefährlichkeit der Kundgebung die der Angeklagte vorgenommen hat war nicht zu erkennen. Zwar spricht die Konstellation die sich vor der Burschenschaft ergab dafür dass es grundsätzlich zu Gefährdungen kommen könnte, aber auch die Polizei hielt es nicht für erforderlich, wie der Zeuge xxxxx aussagte, mehr als sieben Beamte vor Ort vorzuhalten.

Auch die Rechtsprechung verlangt in ähnlich gelagerten Fallen eine erheblich geringere Anzahl an Ordnern. Hier ist davon auszugehen dass zunächst sechzig Teilnehmer erwartet wurden so dass die Zahl der Ordner als ausreichend betrachtet werden kann. Dass die Ordner nicht gekennzeichnet waren stellt demgegenüber keinen gesonderten Verstoß dar. Die Ordner hatten zwar aus diesem Grunde ihre Befugnisse nicht wirklich durchsetzen können. Ein strafrechtlich relevanter Verstoß ist jedoch alleine im Nichttragen einer Kennzeichnung nicht zu sehen.

2. Alkoholverbot

Da die Einschränkungen des Versammlungsrechtes durch Auflagen einen Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit darstellen, sind nur formal wirksame Auflagen gültig. Vorliegend wurde dem Angeklagten durch die Stadt Erlangen abverlangt, alkoholisierte Personen von der Teilnahme auszuschließen. Hier stellt sich bereits die Frage, ab wann eine Person als alkoholisiert und damit auszuschließen anzusehen ist. Die Angaben der Stadt sind insofern unklar und über den Versammlungsleiter deswegen nicht durchzuführen.

Die Anordnung der Kläger habe als Versammlungsleiter alkoholisierte Teilnehmer auszuschließen ist rechtswidrig. Hier ist auf die Entscheidung des VG Göttingen, Urteil vom 22.04.2009, hinzuweisen (Az.: 1 A 355/07), in der ausgeführt wird diese Anordnung sei rechtswidrig da etwas rechtlich unmögliches verlangt werde. Lediglich die Polizei könne Teilnehmer ausschließen, nicht jedoch der Versammlungsleiter.

Hier sind bereits die Angaben der Stadt Erlangen nicht rechtmäßig. Soweit gefordert wird erkennbar unter Alkohol stehende Personen von der Kundgebung auszuschließen ist auszuführen, dass der vor Ort eingesetzte Polizeibeamte xxxxxxx als Zeuge aussagte es sei erkennbar eine Person alkoholisiert gewesen. Diese wurde aber wie sämtliche als Ordner vernommene Zeugen aussagten angesprochen und hat die Kundgebung schließlich verlassen.

Ein Verstoß gegen die Auflage der Stadt Erlangen liegt nicht vor.

3. Kundgebungsort

Die Kundgebung fand am 30.10. statt. Der Bescheid in der die Verlegung des Kundgebungsortes erfolgte datiert vom 29.10. Der Polizeibeamte der die Einsatzleitung vor Ort hatte hat in seiner Aussage angegeben, dass die an der Kundgebung teilnehmenden Personen sich zunächst direkt vor der Burschenschaft befunden hätten. Der Versammlungsleiter, der Angeklagte xxxxxxx, habe nicht mit dem nötigen Nachdruck dafür Sorge getragen, dass der Veranstaltungsort eingehalten wurde.

Wörtlich erklärte der Polizeibeamte: „Vor dem Tor hatten sich Leute eingefunden die sich erst nach und nach auf die andere Seite begeben haben. Ich habe Herrn xxxxxxxxx gesagt er möchte sich mit den Teilnehmern dorthin begeben wo es genehmigt war. Ich habe ihn innerhalb einer Viertelstunde ca. fünfmal aufgefordert. Anfangs war die Straße vor der Frankonia mit Leuten voll. Es wurde dann geregelt, die gingen dann auf den Gehsteig. Wir einigten uns dann darauf dass das Transparent bleiben darf aber die übrigen Personen 20 m weiter gehen sollen. Ich habe den Angeklagten einmal darauf angesprochen. Er hat teilweise Leute angesprochen, unterm Strich aber mit wenig Erfolg. Aus Eigeninitiative hat er nichts gemacht.“

Der Angeklagte hat sich hier dahingehend eingelassen, dass er von der Verlegung des Veranstaltungsortes erst so spät erfahren habe, dass nicht mehr die Information aller Teilnehmer möglich gewesen wäre. Der Großteil der Teilnehmer habe sich deswegen direkt vor der Frankonia versammelt, sei aber dann auf die andere Straßenseite gegangen. Hier ist nach der Aussage des Zeugen xxxxx sowohl der Angeklagte selber tätig geworden. Weiter haben die eingesetzten Ordner mitgeteilt, dass sie sich massiv darum bemüht hatten, die Versammlung auf die richtige Stelle zu verlegen indem sie immer wieder Leute angesprochen hatten. Angesichts dieser Konstellation, der Tatsache dass der Versammlungsort zunächst nicht genauer bekannt gegeben werden konnte, der Angeklagte dann aber mit seinen Ordnern Schritte unternahm die Versammlung in die richtige Stellung zu bewegen, was die Polizei schließlich und letztendlich nicht mehr zu beanstanden hatte, war der Angeklagte auch von diesem Vorwurf freizusprechen. Mehr als die Initiative von Ordnern und Veranstaltungsleitern, die Kundgebung an der verlangten Stelle durchzufahren, kann nicht gefordert werden, da der Veranstaltungsleiter nicht für das Verhalten jedes einzelnen Veranstaltungsteilnehmers zur Verantwortung gezogen werden kann.

Der Angeklagte war insgesamt freizusprechen, da zum Teil rechtswidrige Auflagen gemacht wurden, zum Teil die Verstöße nicht begangen wurden.

 

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