Sicherheitsbehörden lassen sich vor rechten Karren spannen

Erneutes Vorgehen der Polizei gegen Stadtratsmitglied
Am 31. März erklärte das Landgericht Nürnberg-Fürth das Vorgehen der Sicherheitsbehörden und einen entsprechenden Durchsuchungsbeschluss des Erlanger Amtsgerichts für rechtswidrig. Fünf Tage zuvor durchsuchte die Polizei in Begleitung eines Staatsanwalts und des städtischen Rechtsreferenten das Fraktionsbüro der Stadtratsfraktion GRÜNE/Grüne Liste – ohne diese zu informieren. Zeitgleich fand eine Hausdurchsuchung bei einem Stadtrat und stellvertretenden Vorsitzenden der Grünen Fraktion statt, zahlreiche elektronische Geräte wurden an beiden Orten mitgenommen und teilweise ausgelesen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, er habe Beihilfe zu einem Verstoß gegen das Kunsturheberrecht begangen. Als vor einem halben Jahr Fotos einer AfD-Veranstaltung in Erlangen zum Thema „politischer Islam“ veröffentlicht wurden, erstattete die AfD Anzeige. Der Beschuldigte war mit weiteren Beobachter*innen vor Ort – da er die Fotos nachweislich nicht hochgeladen hatte, plädiert die Staatsanwaltschaft auf „Beihilfe“. Das Landgericht dagegen sieht keinen hinreichenden Anfangsverdacht, dass hier eine Straftat in Frage käme, die solch drastische Maßnahmen rechtfertigt. Außerdem äußert es Zweifel, ob mit der Fotoveröffentlichung überhaupt eine Straftat vorliegt.
Die Erlanger Polizei ermittelt inzwischen in einer weiteren Angelegenheit gegen diesen Stadtrat.
Er ist Historiker und Fraktionssprecher für Strategien gegen rechte Aktivitäten. „Der hier erhobene Vorwurf ist noch bedenklicher“, bemerkt sein Anwalt. Wieder wird ihm ein offensichtlich unhaltbarer Verstoß gegen das Kunsturheberrecht unterstellt. Im Dezember letzten Jahres hielt der Historiker auf Einladung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) einen Onlinevortrag über rechte Strukturen in der Region. Aufgrund der im Vortrag gezeigten Fotos, fühlte sich ein bekannter Protagonist der örtlichen Neonazi-Szene in seinen Bildrechten verletzt und erstattete Anzeige. Er ist bundesweit in den alten und neuen rechten Strukturen gut vernetzt und verbunden mit der Burschenschaft Frankonia, die seit einigen Jahren sogar vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Wegen des Zeigens von Hakenkreuzen und SS-Runen sowie des Besitzes von Schusswaffen wurde der 21-jährige lediglich zu einer Jugendfreiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Dieses milde Urteil des Erlanger Amtsgerichts war auch Anlass für seine Erwähnung im Vortrag. Die verwendeten Fotos stammen von den Social-Media-Accounts des Anzeige-Erstatters. Er hatte sie dort selber veröffentlicht.

„Wir sind erschüttert, mit welchem Eifer die Ermittlungsbehörden diese offensichtlich unhaltbare Anschuldigung verfolgt. Da der Erstatter der Anzeige die gezeigten Fotos selbst veröffentlich hat, dürfen sie natürlich zu Bildungszwecken auch genutzt werden“ bemerkt Dr. Birgit Marenbach, eine der beiden Fraktionsvorsitzenden. Die Fraktion und der betroffene Stadtrat sind inzwischen Ziel zahlreicher rechter Anfeindungen, Beleidigungen und massiver Drohungen – „und die Ermittlungsbehörden lassen sich vor den rechten Karren spannen.“

Marcus Bazant, ebenfalls Fraktionsvorsitzender der Grünen Doppelspitze ergänzt: „Immer deutlicher wird, dass mit zweierlei Maß gemessen wird und auch diese Ermittlungen gegen zivilgesellschaftliche Aufklärungsarbeit gerichtet sind. In Sonntagsreden wird immer gefordert, Zivilcourage zu zeigen und nicht wegzusehen. Aber genau dies wird durch solche Ermittlungen aktiv behindert.“

 

2 Gedanken zu „Sicherheitsbehörden lassen sich vor rechten Karren spannen“

  1. Die Heimatstadt des bayerischen Polizeiministers Herrmann… Und Heimstätte staatsanwaltlichen Übereifers. Kennt man diesen Staatsanwalt? Wie heißt er und welche politische Zuschreibung hat er? Nicht nur in Bundeswehr und Polizei, sondern vermutlich auch in den Gerichten gibt sie, die neuen rechten Netzwerke und ihre sinistren Helfershelfer. Ich denke, auch diese erneute staatsanwaltliche Aktivität wird durch das Landgericht einkassiert werden. Soviel Vertrauen in unseren Rechtsstaat darf man (und frau) noch haben,
    Die neuen rechten Netzwerke im Auge zu behalten, ihre lokalen Strukturen und Akteure auszuleuchten, sollte nicht nur Gegenstand lobenswerter Aktivitäten grüner Mandatsträger*innen bleiben, sondern ist eine gesellschaftliche Aufgabe gerade vor Ort, in der Kommune. Insofern zeigt die Passivität der anderen demokratische Parteien und Fraktionen, zuvorderst die sozialen Christen, dass sie aus den NSU Morden (vor der Haustür) noch immer nichts gelernt zu haben scheinen und der (solche sinnlosen staatsanwaltlichen Ermittlungen ausschlachtenden) AfD leider in die Hände spielen.

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