Schaffung eines Ortes der Erinnerung in der ehem. Heil- und Pflegeanstalt

Rede von Dr. Birgit Marenbach in der Stadtratssitzung am 28.03.2019

»Mit dem heutigen Beschluss setzt die Stadt Erlangen ein wichtiges Zeichen gegen das Vergessen und gegen das Vertuschen der Verbrechen auf dem Gelände und in den Gebäuden der ehemaligen Kreisirrenanstalt und späteren Heil- und Pflegeanstalt. (…)
Mit dem heutigen Beschluss erfolgt keine Zustimmung für den Abbruch des Mittelteils des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes oder der Fällung der hochwertigen Bäume in diesem Parkbereich. Grade bei der Aufheizung von Städten haben solche hohen und alten Bäume eine große Bedeutung gegen die Aufheizung unserer Städte. …«

»Mit dem heutigen Beschluss setzt die Stadt Erlangen ein wichtiges Zeichen gegen das Vergessen und gegen das Vertuschen der Verbrechen auf dem Gelände und in den Gebäuden der ehemaligen Kreisirrenanstalt und späteren Heil- und Pflegeanstalt. (…)

Wir wollen einen Ort der Erinnerung schaffen, eine Gedenkstätte, einen Gedenkort, ggf. ein Dokumentationszentrum und ganz besonders wichtig ist unserer Fraktion, dass wir einen Lernort dort schaffen. Ich habe den Beschluss auf Lernort durchsucht und den Begriff nicht gefunden, daher möchte ich darum bitten dass der Beschlusstext unter:
3. Die Verwaltung wird beauftragt, gemeinsam mit den Partnern im Beirat mit der inhaltlichen Vorbereitung eines Gedenk- und Lernorts zu beginnen, ergänzt wird.

Gedenken und Erinnern ist wichtig, es ist besonders wichtig für die Opfer und Ihre Angehörigen, denn man braucht dafür einen Ort. Heute, über siebzig Jahre nach diesen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, fragt man sich ohnehin wo und wie haben die Angehörigen, die Überlebenden und ggf. die Täter und Täterinnen dieses Gedenken begangen. An der Tafel auf dem Klinikgelände, ich weiß es nicht. Es ist höchste Zeit, dass wir diesen Ort schaffen.

Auch das Dokumentieren dieser Verbrechen ist eine bedeutende, notwendige Aufgabe und eine große Herausforderung. Und vielleicht hat es deswegen so lange gedauert, weil nicht jeder und jede es ertragen konnte mit sich selbst oder mit seiner Berufsgruppe ins Gericht zu gehen. Das Verdrängen ist ggf. sogar eine menschliche Überlebensstrategie. Aber auch für die Dokumentation ist die Zeit reif und wir wollen diese in Erlangen offen und schonungslos angehen.

Bevor ich nun zum Lernort komme möchte ich eine Begebenheit erzählen die sich letztes Wochenende in der KZ Gedenkstätte in Buchenwald ereignet hat und die mir meine Tochter erzählt hat. Sie hat mit einigen Studienkolleginnen das KZ Buchenwald besichtigt und gleichzeitig hat auch eine Motoradgruppe an der Besichtigung teilgenommen….
…Genickschussanlage…. Als die Gruppen wieder draußen waren, hat meine Tochter gehört wie einer aus der Motorradgruppe zu einem anderen sagte. „und was ist jetzt? Wollen die uns jetzt ein schlechtes Gewissen machen oder was?“

Genau diese Frage „Was ist jetzt?“ die sollte von unserem heute beschlossenen Gedenk- und Lernort beantwortet werden.

Ich habe eine schöne Definition für die Aufgaben einer Gedenkstätte von Volkhard Knigge (Buchenwald) gelesen.

Folgende Fragen sollten bei der Umsetzung einer Gedenkstätte v.a. beantwortet werden:

  • Was bringt Menschen dazu menschenfeindlich zu handeln?
  • Welche Politik, welche Form des Rechts, der Kultur, der Bildung begünstigt menschenfeindlich zu handeln?

Hier in Erlangen haben Götter und ggf. Göttinen in Weiß, Pflegerinnen in Pfleger und teilweise auch Angehörige menschenfeindlich gehandelt.
Warum haben sie dies getan? Wie konnten sie ihren hippokratischen Eid vergessen?
Diese Fragen sind es, die beantwortet werden müssen. So beantwortet werden müssen, dass die Besuchenden später wissen oder ein Gespür dafür bekommen was los war.

Welche Politik begünstigt solche Menschenfeindlichkeit, wie können wir dies erkennen, in unserer heutigen Zeit.

Welches Rechtssystem und welche Justiz begünstig Menschenfeindlichkeit, ist es ggf. in der Türkei schon so weit, woran können wir dies heute erkennen. Was sagt es uns wenn Richte*innen, Lehr*innen oder kritische Menschen in Gefängnissen verschwinden.

Welche Bildung und welche Kultur begünstigt menschenfeindliches Handeln. Kann es eine Leitkultur geben in unserer heutigen Zeit. Hat die Bildung versagt, wenn viele Kinder nicht wissen was der Holocaust ist. Wie wurden die Kinder durch BDM oder in der Hitler-Jugend instrumentalisiert.

Hier möchte ich noch ergänzen, welche Religion, welche kirchliche Organisationsstruktur begünstigt menschenfeindliches Handeln.

Das sind unsere Meinung nach die Fragen, für die Antworten gefunden werden müssen. Und aufgrund der Besetzung des Beirates sind wir zuversichtlich, dass dies gelingen wird.

Der Beschluss den wir heute fassen, bezieht sich ausschließlich auf die Schaffung eines Gedenk- und Lernortes.

Im Sachbericht auf Seite 3 …. Das Universitätsklinikum hat weiterhin großes Interesse auch an der Errichtung der Translational Research Center 2 und 3, deren Baukörper gemäß den bisherigen Planungen im Bereich des nach den Teilabbrüchen 1 und 2 verbleibenden Gebäudeteils der HuPfla liegen. Für diesen verbleibenden Gebäudeteil liegen der Stadtverwaltung derzeit keine Anträge vor, ein entsprechendes Verfahren wäre von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig.

Auf diesen Satz möchte unsere Fraktion ausdrücklich hinweisen. Mit dem heutigen Beschluss erfolgt keine Zustimmung für den Abbruch des Mittelteils des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes oder der Fällung der hochwertigen Bäume in diesem Parkbereich. Grade bei der Aufheizung von Städten haben solche hohen und alten Bäume eine große Bedeutung gegen die Aufheizung unserer Städte.

Als Hydrologin ist mir der 2500 Jahre alte Spruch Alles fließt zu einer Art Wegweiser geworden.
Kein Fluss, in den wir steigen, ist morgen derselbe und wir sind es morgen auch nicht mehr.

Prof. Iro sagte im Januar 2018 in den EN „Es geht schlicht ums Überleben“.
Ja Prof. Iro Sie haben vollkommen recht, es geht irgendwie ums Überleben. Aber keine Spezies, keine Fachdisziplin und keine Spitzenforschung kann unabhängig von der Umgebung überleben. Unsere Fraktion ist davon überzeugt, dass der freie, unabhängige Geist, der in der Spitzenforschung weht, auch durch die weiteren baulichen Planungen wehen kann und zu neuen besseren Lösungen führen wird.

Heute hat Prof. Frewer einen solchen visionären, freien Vorschlag vorgestellt und damit gezeigt, welches außergewöhnliche Potential – gerade auch für die Forschung und für die medizinische Ausbildung – in der weiteren Nutzung des historischen Gebäudeteiles als Nachbau des Schwurgerichtssaales liegen könnte. Dies könnte sich auf das Renommee des Klinikums weltweit auswirken. Denkverbote dürfen wir hier nicht haben.

Abschließen möchte ich damit, dass unserer Meinung nach nichts alternativlos ist, dies gilt insbesondere für die genannten Erweiterungsbauten des Klinikums. Das Gelände der philosophischen Türme, der Großparkplatz, der demnächst mit einer City-Bus-Linie mit kurzen Takt mit dem Klinikgelände verbunden sein wird und auch das freiwerdende Gelände des Bezirk Klinikums, muss in die weiteren Überlegungen neu einfließen. Ggf. könnte auch der Siemens Campus – für gewisse Fachkliniken die eine Einheit bilden – mitgedacht werden. Spitzenforschung, die 2019 den Klimawandel und die Klimaanpassung nicht in ihre baulichen Planungen einbezieht, schließt sich im Grunde aus.

Alles fließt, darüber können wir uns freuen und somit kreative Lösungen finden für diesen Gedenk- und Lernort und seine Umgebung.«

1 Gedanke zu „Schaffung eines Ortes der Erinnerung in der ehem. Heil- und Pflegeanstalt“

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