Keine Drehgenehmigung mehr für TV-Produktionen über SozialhilfeempfängerInnen

Bereits vor einem Jahr erteilte die Leitung des Sozialamts einer Fernseh-Produktionsfirma eine Drehgenehmigung. Die Betroffenen, die der Ermittler und das Kamerateam aufsuchten, wurden nicht im Voraus angefragt, sondern an der Haustüre „überrumpelt“.

Antrag

Wie wir vom MieterInnenbeirat der GeWoBau erfahren haben, wollte wiederum wie im letzten Jahr eine TV-Produktionsfirma den „Ermittler“ des Sozialamtes, Herrn Wiesner, bei seinen Hausbesuchen begleiten. Außerdem sollten diesmal auch Mietstreitigkeiten bei der GeWoBau mit einbezogen werden. Nach heutiger (28.4.04) Auskunft von Herrn Gerngroß (Gewobau) wurde dieses Ansinnen jedoch abgelehnt. Das Sozialamt seinerseits teilte uns mit, dass Begleitung und Aufnahmen bereits Ende März stattgefunden haben.

Bereits vor einem Jahr erteilte die Leitung des Sozialamts einer Fernseh-Produktionsfirma eine Drehgenehmigung. Die Betroffenen, die der Ermittler und das Kamerateam aufsuchten, wurden nicht im Voraus angefragt, sondern an der Haustüre „überrumpelt“. Am 21. und 27. April 2003 wurde dann dieses Filmmaterial in einer VOX-Reportage mit dem Titel „Armes Deutschland – Sozialbetrügern auf der Spur“ ausgestrahlt. Empörte Mitbewohner des Stadtteils Anger und andere Bürger aus Erlangen schrieben daraufhin in einem gemeinsamen Protestschreiben (vom 2.5.2003) an den Oberbürgermeister und die Fraktionen: „Es ist unbegreiflich, wie es zugelassen werden konnte, dass hilfsbedürftige Bürger der Stadt Erlangen unter Mithilfe eines städtischen Bediensteten als ‚Sozialbetrüger‘ vor einem Millionenpublikum diffamiert werden. Auch eine von den Betroffenen in einer Überrumpelungsaktion (…) eingeholte Sendeerlaubnis kann nicht als Rechtfertigung dienen. Zu der beschämenden Situation der Betroffenen nicht aus eigener Kraft ihren Lebensunterhalt sichern zu können, kommt nun auch die Bloßstellung in ihrem sozialen Umfeld. Nicht zuletzt auch durch die teilweise abfälligen Anmerkungen des städtischen Bediensteten (…). Wir bitten Sie Sorge zu tragen, das Bürger der Stadt Erlangen zukünftig vor solchen Aktionen, die einen groben Vertrauensmissbrauch darstellen, geschützt werden.“

Auch die Grüne Liste hatte damals gegenüber der Sozialamtsleitung diese Praxis scharf kritisiert.

Bitte beantworten Sie folgende Fragen in einer der nächsten Stadtrats- oder Ausschusssitzungen:

– Wer hat wann die betroffenen Leute vorher informiert, dass bei ihnen ein TV-Team drehen will?
– Ist diese Praxis datenschutzrechtlich überprüft worden und von wem?
– Gab jemand Adressen an die TV-Firma heraus?
– Erhält das Sozial- oder ein anderes Amt eine Kostenerstattung von der TV-Firma? Wenn ja, wie hoch?
– Bei wem hat die TV-Produktionsfirma ihr Anliegen vorgetragen und wer war alles am Entscheidungsprozess beteiligt?
– Welchen Zweck sieht die Verwaltung in der Erteilung einer Drehgenehmigung?

Wir beantragen dazu:

– Eine Drehgenehmigung für derartige TV-Produktionen wird zukünftig nicht mehr erteilt. Außerdem soll die Verwaltung auf den TV-Sender hinwirken, dass dieser Beitrag nicht ausgestrahlt wird.

Sollte dieser Antrag keine Mehrheit finden, beantragen wir hilfsweise:

– Die Betroffenen müssen mindestens drei Tage vorher informiert werden, damit sie ausreichend Bedenkzeit haben, ob sie wirklich damit einverstanden sind, derart in die Öffentlichkeit gezogen zu werden.
– Den Betroffenen wird eine kostenlose Rechtsberatung angeboten und sie werden über ihre Datenschutz-Rechte aufgeklärt

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