Rede von Dr. Birgit Marenbach im Stadtrat am 17.01.2019:
»In diesem Beschluss geht es um viel – auch um sehr viele Bereiche, die für die Bürger*innen der Stadt Erlangen und auch des Umlandes von Bedeutung sind. Es geht um die Schaffung eines „Ortes der Erinnerung“ an die Ermordung von Menschen in der Heil- und Pflegeanstalt.
Es geht um den Denkmalsschutz. Es geht um die städtebauliche Entwicklung der Innenstadt. Es geht um die Spitzenmedizin und –forschung. Es geht um wertvolle Grünflächen mit altem Baumbestand. Es geht um den Schutz des Klimas, der Artenvielfalt, des Bodens und vor dem Hochwasser. Es geht um Verkehr und Erschließung. Und es geht uns ALLE etwas an!« …
Anfrage des Erlanger Landttagsabgeordneten Christian Zwanziger an die bay. Staatsregierung
Rede von Dr. Birgit Marenbach im Stadtrat am 17.01.2019:
Gedenkstätte:
Die Mitteilung des Universitätsklinikums, auch das historische und bauzeitliche Gebäude der ehemaligen Kreisirrenanstalt und späteren Heil- und Pflegeanstalt (HuPflA) in die Untersuchungen zu einer Gedenkstätte für die Opfer des NS Euthanasieprogrammes einzubeziehen, erfreut uns sehr. Wir danken auch Ihnen herzlich, Herr Prof. Iro, dass Sie diesen Schritt mitgegangen sind.
Diesem historischen und authentischen Gebäude messen wir eine besondere Ausstrahlungskraft für eine Gedenkstätte zu. In der Veranstaltung Ende letzten Jahres im Hörsaalgebäude konnte man erkennen und geradezu spüren, dass es sehr viele Menschen in Erlangen gibt, für die dieses Thema einer lebendigen und authentischen Gedenkstätte von großer Bedeutung ist. Davon zeugt auch die große Zahl derer, die für den Erhalt des Gebäudes unterschrieben haben.
Denkmalschutz:
Der Gebäudekomplex des Riegels, für den der erste Teilabriss genehmigt worden ist, ist vollständig intakt, wird vom Klinikum genutzt und steht komplett unter Denkmalschutz. Es handelt sich nicht um eine leerstehende Bauruine, so wie es einige Unbeteiligte vermuten mögen. Es handelt sich um ein Gebäude, in dem auch nach dem Krieg Patienten behandelt und auch teilweise noch fixiert wurden. Somit besteht ein authentischer Ort der über die „Behandlung“ von psychisch Kranken, nicht nur während der NS Zeit, sondern auch davor und danach, Zeugnis gibt. Dieses Gebäude eignet sich damit hervorragend für die Aufbereitung der komplexen Themen, die an einen modernen und lebendigem Gedenkort gestellt werden.
Städtebauliche Entwicklung:
Ich zitiere aus den Bauanträgen: Die Grundfläche des geplanten TRC 4 beträgt ca. 53 m x 25 m, 4 Geschosse mit aufgesetztem Technikgeschoss. Die Grundfläche des ZMP beträgt ca. 56 m x 57,5 m, es hat ebenso 4 Geschosse mit aufgesetztem Technikgeschoss. Langfristig ist ein Anbau von ca. 22,5 m x 20,5 m geplant, der im BWA abgelehnt wurde und stattdessen ein weiteres Stockwerk vorgeschlagen wurde. Als Stadträtin, darf ich die Frage stellen, ob es im Jahre 2019 – also 10 Jahre nach dem städtebaulichen Wettbewerb und den daraus entstandenen Planungen – nicht notwendig wäre, sparsamer mit dem äußerst knappen Baugrund umzugehen. Also wäre es nicht zeitgemäß, eher in die Höhe als in die Fläche zu bauen? Wie könnte man Abteilungen untereinander schneller erreichen, als mit dem Fahrstuhl? Ist der Zeitdruck wirklich so groß, dass keine Überarbeitung oder Tektur der Pläne mehr möglich ist.
Ich frage mich, ob man in der Spitzenforschung ein Standardgerät von 2009 kaufen würde, wenn es heute ein effizienteres Gerät auf dem Markt gäbe.
Spitzenmedizin:
Das Translational Research Center (TRC) für Immunologie und Entzündungsforschung, Nieren und Kreislaufforschung und Bereiche der Tumorforschung ist eine außergewöhnliche Vernetzung der medizinischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen. Ebenso das Zentrum für Physik und Medizin (ZPM oder MPC), ein Gebäude das Büro- und Laborflächen, Reinraum sowie Werkstätten aufweist, und in unmittelbarem Austausch mit dem Klinikum stehen wird. Über diese interdisziplinäre Zusammenarbeit freuen wir uns sehr und sind uns der Dimension des möglichen medizinischen Fortschrittes bewusst.
In den EN vom 18.01.2018 (genau vor einem Jahr!) sagten Sie Prof. Iro „Es geht schlicht ums Überleben“, da nach der derzeitigen Gesundheitspolitik nur die Klinik weiterbestehen kann, die wächst. Diese Wachstumsdiskussion würde an dieser Stelle zu weit führen, ich persönlich kann ihr ohnehin nicht zustimmen. Aber allein die städtebauliche und räumliche Situierung unseres Klinikums in Erlangen zeigt auch ganz konkret, dass es physische Grenzen gibt.
Wir möchten mit unseren Anregungen und Stellungnahmen darum bitten, dass Spitzenforschung in Spitzengebäuden geplant und mit Spitzen-Freiflächen realisiert wird.
Grünflächen, Baumbestand
Die derzeitigen Grünflächen rund um die „Hupfla“ gehören aus Sicht des Artenschutzes und besonders des Erholungswertes für Patient*innen und Beschäftigte zum Tafelsilber des Klinikgeländes und damit auch zum grünen Tafelsilber der Stadt Erlangen. Es liegt eine ablehnende Stellungnahme des Umweltamtes zu den Erweiterungsflächen vor. Sie begründet sich auf den Ergebnissen der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP). Der ökologische Wert z. B. eines großen Laubbaumes ist für das Stadtklima immens und er kann – nach der geplanten Bebauung – vor Ort nicht wirklich wieder ausgeglichen werden. Insbesondere nicht, wenn Tiefgaragen unter den jetzigen Grünflächen gebaut würden. Das zeigt auch die bisherige Freiflächengestaltung auf dem Klinikgelände. Die gepflanzten Bäume auf dem preisgekrönten Lavaschotterplatz vor dem großen Hörsaal Gebäude, weisen keine große Vitalität auf, was daran liegt, dass sie auf zu wenig Bodenüberdeckung stehen. Besagter Platz hat eine strenge Geometrie, aber verfügt über keine ökologischen Qualitäten für die Artenvielfalt (Schmetterlingswiesen ö.ä.) und hat keinen natürlichen Erholungswert und stimmt daher traurig Die Wichtigkeit für eine echte Grünfläche, sowie eine gute Fuß- und Radwegverbindung zur Schwabach wurde sowohl im Grundsatzbeschluss des Stadtrates als auch im BWA festgehalten.
Umweltschutz:
Es ist der Immissionsschutz von vorhandenen schutzbedürftigen Nutzungen zu gewährleisten; das betrifft Mitarbeitende sowie Patient*innen, den Artenschutz, den Klimaschutz, Bodenschutz als auch den Hoch- und Grundwasserschutz.
Die Auswirkungen des Klimawandels treten in den vergangenen Jahren immer deutlicher hervor. Das klimaangepasste Bauen sollte neben der gestalterischen Qualität zu den Kernaufgaben des staatlichen Bauamtes, sowie aller Architekturbüros gehören. Alle Maßnahmen der Gebäudebegrünung, über Dach und Fassade, mindern die Aufheizung des Standorts und verbessern das Mikroklima. Diese Aspekte müssen in den weiteren Planungen und der Bauausführung stärker berücksichtigt werden!
Verkehr:
Die Innenstadt ist heute schon, auch ohne die neuen geplanten Gebäude und ihrer zukünftigen Nutzenden, verkehrlich sehr angespannt und überlastet. Ebenso besteht ein Parkraumproblem. Daher ist es wichtig, dass auch hier vorausschauend geplant wird. Allgemein ist es mittlerweile Standard, dass man vor einer geplanten Bebauung ein gutes ÖPNV Angebot schaffen muss, wenn man möchte, dass die Menschen dieses Angebot nutzen und nicht mit dem PKW in die Innenstadt fahren.
Die von der Grünen Fraktion bereits Ende 2017 geforderte City-Bus-Linie, die in engem Takt Bahnhof und Großparklatz mit dem Klinikgelände verbindet, ist eine Teillösung für die Verkehrsprobleme des Klinikums.
Diese Linie muss vor den neuen Gebäuden in Betrieb gehen. Zusammen mit einem klugen Parkraummanagement müssen diejenigen, die dringend unmittelbar am Klinikum parken müssen, dort einen Platz in den vorhandenen Parkflächen finden, während die anderen Personenkreise über die City-Bus-Linie optimal mit Bahnhof und Großparklatz – in einem engen Takt – vernetzt sind. Diese Lösung ist neben den Untersuchungen zu weiteren Parkhäusern, die wiederum weiteren Verkehr in die Innenstadt ziehen werden, vorrangig zu bedenken und umzusetzen.
Gemeinschaftsprojekt:
Mit diesem Beitrag möchte ich aufzeigen, dass der vorliegende Planungsprozess für die gesamte Stadtgesellschaft relevant ist und daher nicht allein auf Spitzenebene hinter verschlossenen Türen verhandelt werden kann.
In Erlangen haben sich viele Menschen und Organisationen, wie beispielsweise das Zentrum für selbstbestimmtes Leben, als auch der Heimat- und Geschichtsverein öffentlich zu Wort gemeldet. Im Bezirkstag wurde ein gemeinsamer Antrag von CSU und SPD zur vorgesehenen Gedenkstätte gestellt. Es gibt eine große Unterschriftensammlung zum Erhalt des ehemaligen Patientengebäudes der „Hupfla“, es gab dazu ebenso einen Antrag in der letzten Bürgerversammlung.
Es gab verschiedene Anträge aus den Fraktionen und auch Protokollvermerke in den Ausschüssen, es gab unzählige Gespräche zwischen den Beteiligten, incl. Fachleuten und Politiker*innen als auch eine umfangreiche Berichterstattung in den EN. Alle diese Beteiligten haben teilweise unterschiedliche Partikularinteressen, aber alle eint der Wunsch nach einer guten Gesamtlösung.
Daher bittet unsere Fraktion um die Berücksichtigung der genannten Punkte und damit um eine Optimierung der Planungen, die bisher nur auf dem Papier bestehen und leicht eine Tektur erfahren könnten, ohne den Bauablauf zu ernsthaft gefährden. Für die weiteren Gebäude TRC 2 und 3, bitten wir um eine offene Diskussion darüber, sie auf dem Gelände der Philosophischen Türme zu errichten, denn dort ist alles versiegelt, währen auf dem Klinikgelände nur noch Grünflächen mit hochwertigem Baumbestand frei sind.
Nehmen Sie die Fraktionen mit bei den folgenden Diskussionen.
Rede von Dr. Birgit Marenbach im Stadtrat am 17.01.2019 zum TOP 7 »Schaffung eines Ortes der Erinnerung«
Anfrage des Erlanger Landttagsabgeordneten Christian Zwanziger an die bay. Staatsregierung