»Dieses Jahr waren die Folgen der Klimakrise deutlich sichtbar«

Jahresabschlussrede im Stadtrat am 12.12.2019 von Birgit Marenbach – GRÜNE/Grüne Liste
»Man könnte dem Jahr 2019 den Titel ‚Klimaerwachen‘ geben. Die Klimakrise und ihre Folgen ist die große Herausforderung für uns alle. Wir haben erkannt, dass sich unser Weiterleben, Weiterarbeiten, Weiterwirtschaften oder Weiterplanen grundlegend ändern muss.«

„Warming Stripes“ – Infografiken zur Erderhitzung, erfunden vom britischen Klimaforscher Ed Hawkins

Liebe Kolleg*innen,

dieses Jahr war das Jahr in dem weltweit und auch regional hier in Franken die Folgen der Klimakrise sichtbar und überdeutlich wurden. Denken wir neben der Temperaturerhöhung auch an die Brände in Australien in Russland aber auch in Brandenburg infolge der Trockenheit. Niemand kann dies noch leugnen oder in Zweifel ziehen. Man könnte dem Jahr 2019 den Titel „Klimaerwachen“ geben. Die Klimakrise und ihre Folgen ist die große Herausforderung für uns alle. Wir haben erkannt, dass sich unser Weiterleben, Weiterarbeiten, Weiterwirtschaften oder Weiterplanen grundlegend ändern muss. Dazu müssen wir alle Kreativität und auch Solidarität aufbringen.
Das ganz Ungewöhnliche ist, dass zu diesem weltweiten Bewusstsein nicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Veröffentlichungen der teilweise schon 30 Jahre alten Prognosen und Studien zur Entwicklung des Weltklimas wesentlich Anteil hatten, sondern ein Mädchen aus Schweden mit einem Freitagsschulstreik die Initialzündung ausgelöst hat.

Mittlerweile haben sich neben der ursprünglichen Schüler*innen Gruppe der „Fridays for Future“ viele weitere Gruppen gebildet und setzen sich auf vielfältige Weise für ein zügiges und relevantes Handeln der Regierenden weltweit ein.
Auf der Klimakonferenz in Paris 2015 haben fast alle Staaten der Erde nationale Klimaschutzziele definiert. Allerdings wissen wir schon seit Februar aus dem Klimaschutzbericht der Bundesregierung, dass Deutschland seine kurzfristigen Ziele zur CO2-Reduktion verpasst hat
und daher deutlich wirkungsvollere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Neben allen sozialen und ökologischen Gründen ist dies auch ein Gebot der Wirtschaftlichkeit, denn die Kosten um die schädlichen Umweltauswirkungen zu beheben, werden weitaus größer sein als die Kosten der Schadensvermeidung. Ende November hat das Europaparlament in Straßburg mit großer Mehrheit den „Klimanotstand“ für Europa ausgerufen.

Auch die Stadt Erlangen hat Ende Mai als erste Stadt Bayerns – aufgrund eines Bürger*innen Antrags von „Fridays for Future“ (FfF) – den Klimanotstand ausgerufen sowie die konkreten Forderungen von FfF behandelt. Außerdem wird die Verwaltung dem Erlanger Stadtrat zeitnah weitere konkrete Maßnahmen für verstärkten Klimaschutz vorgeschlagen. Wichtig ist es bei diesem Prozess die Bürgerinnen mitzunehmen und daher freuen wir uns besonders, dass wir auch die Forderung der Parents for Future (PfF) zur Durchführung eines Klimaforums mit Bürger*innenteiligung 2020 umsetzen werden.

Das Erreichen der Klimaziele – auch in Erlangen – ist nur als Gemeinschaftsanstrengung möglich. Dies erkennt man sofort, wenn man den rein städtischen Anteil von Energie- und Stromverbrauch im Vergleich zur gesamten Stadt betrachtet, dieser Anteil ist mit ca. 2,5 % nur gering. Neben den städtischen Einrichtungen sind alle andere Gruppen und besonders die Arbeitgeber wie z.B. Siemens, die FAU, das Klinikum, die Sparkasse, die Autohäuser aber auch die IHK und die Handwerkskammer, die Kirchen sowie der Einzelhandel mit ins Boot und in die Verantwortung zu nehmen. Das grundsätzliche Bewusstsein hierfür ist bei den meisten Institutionen zu erkennen.
Hierbei kann der geplante neue „Nachhaltigkeitsbeirat“ einen wichtigen Beitrag leisten und im besten Fall eine Ideenschmiede werden aus der konkrete nachhaltige Projekte für Erlangen entstehen.

In diesem Zusammenhang möchte ich unserer Volkshochschule danken, die in diesem Jahr in ganz besonderer und vielfältiger Weise sich mit den Themen der Klimakrise auseinandergesetzt hat und viele hochkarätige und kostenfreie Veranstaltungen dazu angeboten hat. Ebenso hat die Stadtbibliothek mit eigenen Ausstellungen und Vorträgen informiert. Auch unserem Theater, das sich seit langem mit aktuellen Zukunftsthemen befasst und dafür den Theaterpreis des Bundes 2019 erhalten hat, danke ich. Besonders ist auf jeden Fall auch die Ausstellung „Barrieresprung“ unseres Stadtmuseums, die noch bis Anfang 2020 verlängert wurde und ich empfehle allen, die noch nicht dort waren, diese Ausstellung zu besuchen, sie leistet einen lehrreichen Beitrag zum Thema Inklusion.

Das diesjährige Poetenfest hat mit dem „Poetenfest Extra“ ein neues Format kreiert und aus dem Vortrag von Harald Lesch hat sich mir die Aussage, dass die Digitalisierung ein Brandbeschleuniger der Klimakrise ist, besonders eingeprägt.

Innovativ, wenn auch auf anderem Gebiet, ist unser Eigenbetrieb Entwässerung, der eines der modernsten Kläranlagen in Bayern betreibt. Ein großes und teilweise ungelöstes Problem von Abwässern ist die Elimination von Spurenstoffen und insbesondere auch von Arzneimittelrückständen. Dieses Jahr haben wir den Ausbau für eine vierte Reinigungsstufe beschlossen. Auf die Vorschläge zur genauen technischen Ausführung bin ich schon gespannt.
Ich freue mich auch, dass der Entwässerungsbetrieb seine Freiflächen den Imker*innen unserer Stadt zur Verfügung stellt und u.a. am Klärwerk zwei Bienenhäuser stehen.

Mut zur Veränderung haben wir dieses Jahr im Bereich der Verkehrsplanung mit dem einjährigen Probebetrieb der „unechten Einbahnstraße“ bei der Neuen Straße gezeigt. Dies ist ein kleiner Baustein zur Lösung innerstädtischer Verkehrsprobleme, der sich aus dem Verkehrsentwicklungsplan ergeben hat. Nun müssen wir die Gelassenheit und Standfestigkeit aufbringen, diesen Probebetrieb ggf. mit kleineren Korrekturen – wie vorgesehen über ein Jahr – durchführen. Denn Veränderungen und Akzeptanz brauchen Zeit.
Ein wichtiges Verkehrsprojekt ist die Stadtumlandbahn StUB, die für mich auch eine Art Initialzündung für weitere Planungen wie z. B. der Ostarm sein kann. Wir wissen, dass dieses Projekt heiß diskutiert wird und ich hoffe, dass diese Diskussionen fair und zielgerecht weiterverlaufen, denn der Schienenverkehr trägt einen bedeutenden Beitrag zur Verkehrswende bei. Nach meiner Überzeugung muss jedoch insgesamt die Finanzierung des ÖPNV reformiert werden, dies muss in Berlin geschehen und wir könnten uns z.B. vom ÖPNV-Finanzierungssystem unseres Schweizer Nachbarlandes viel abschauen.

Wichtige Bauprojekte wurden auf den Weg gebracht, z.B. das Bürger*innen- und Begegnungszentrum an der Hartmannstraße, ein neuer Trakt für den geplanten Berufsschulcampus, die Entwicklung des Großparkplatzes sowie weitere Bürger*innenhäuser in den Stadtteilen.

Eine nach wie vor große Aufgabe, in unserer florierenden Stadt Erlangen, ist es bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen oder zu schaffen. Dabei sind neben Neubauten auch neue Wege wie beispielsweise Wohnungstausche als kleiner Baustein zu beschreiten, auch hier ist Kreativität und Offenheit gefordert. Unsere städtische Wohnungsbaugesellschaft die GeWoBau hat diese Offenheit und handelt engagiert.

Ein überregional bedeutsames Projekt wird die im Stadtrat einstimmig beschlossene „Gedenk und Lernstätte“ für die in Erlangen begangenen Verbrechen der Euthanasie sein. Die Übersetzung dieses griechischen Wortes steht für „schöner Tod“. Im NS-Jargon wurde vom „Gnadentod“ gesprochen, heute sprechen wir von der T4 Aktion. Zur Zeit laufen dazu zwei größere Untersuchungen. Eine beschäftigt sich mit den Tatvorgängen und Verbindungen von unterschiedlichen Beteiligten in unserer Stadt, hierbei wirkt unser Stadtarchiv wesentlich mit. Das Besondere der Erlanger Verbrechen war, dass sie im Zentrum der Stadt und damit mitten unter den Bürger*innen geschehen sind. Eine zweite Studie beschäftigt sich mit dem konzeptionellen Teil der Gedenk- und Lernstätte und seiner Situierung in der Stadt. Dieses Projekt soll neben der Erinnerung und des Gedenkens auch die Mechanismen des Grauens erforschen und nachvollziehbar darlegen, so dass Lehren aus der Vergangenheit gezogen werden können.

Wir stehen 2020 vor großen Herausforderungen und Veränderungen, sie werden vielfältiger und gravierender sein, als wir uns das vorstellen möchten. Daher ist es notwendig, dass wir – trotz Kommunalwahlkampf – im neuen Jahr handlungsbereit und -fähig bleiben und willig sind mutig neue Wege zu beschreiten, auch als Stadtgemeinschaft zusammen.

Die Stärke unserer Stadt und Stadtgesellschaft, besteht in ihrer sozialen Kompetenz und Solidarität. In Erlangen werden und wurden schon lange – teilweise eigene – soziale Modelle, wie die Lernstuben, das grüne Sofa sowie viele Beiräte gegründet oder auch die Seenotrettung unterstützt. Diese Fähigkeit zum sozialen Zusammenhalt wird eine wesentliche Voraussetzung zur Lösung der anstehenden Aufgaben sein. Hierbei gilt mein Dank allen sozialen Gruppen dieser Stadt.

In diesem Zusammenhang danke ich auch dem Oberbürgermeister und unseren beiden Bürgermeisterinnen sowie den Referent*innen für die respektvolle Zusammenarbeit. Daneben herzlichen Dank an alle Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung sowie dem Personalrat für die
geleistete Arbeit. Ebenso danke ich den Stadträt*innen für Ihren Einsatz und Engagement in diesem Stadtrat. Unsere Verwaltung hält die Stadt am Laufen, setzt unsere Beschlüsse um, auch ihr gilt mein besonderer Dank für die professionelle Arbeit und den freundlichen Umgang. Auch der Presse danke ich für die kritische und stetige Begleitung und Berichterstattung unserer Stadtratstätigkeit.

Allen Bürger*innen möchte ich danken, die die Stadtratspolitik verfolgen und stets kritisch begleiten. Dieses Jahr hat die Bürger*innenschaft mit eigenen, hochkarätigen Veranstaltungen oder auch Demonstrationen, wie den Klimademos, ihre Interessen, Vorstellungen aber auch Ihr Wissen und ihre Kompetenz stark eingebracht. Die Stadt hat mit internen Schulungen zur Bürger*innen-Beteiligung reagiert und baut dies weiter aus, vielen Dank dafür.

Besonderer Dank gilt dem vielfältigen Engagement der Menschen in den unterschiedlichsten Bereichen wie Vereinen, Kirchen, Initiativen, Stiftungen, Clubs, Bündnissen oder auch ganz privat. Von diesem Engagement lebt die Stadt und dadurch wird sie lebenswert.
Meine persönlichen Wünsche für das neue Jahr 2020 sind:

Ich wünsche mir ein Feuerwerk, oder besser noch eine Laserschau, für die Gesamtstadt von der Spitze des Stadtwerke-Schlotes. Diese Lichtschau könnte auch in den Vororten gesehen werden und Strom liegt bereits am Kamin.

Ich wünsche mir, dass unser Eigenbetrieb 77 sehr viele neue Stadtorte findet, um neue Herzensbäume zu pflanzen und danke für die vielen insektenfreundlichen Blühwiesen, die in den letzten Jahren entstanden sind.

Ich wünsche mir, dass die City-Linie nächstes Jahr startet und somit ein weiteres Glied zur Verkehrswende bildet kann. Dazu bedanke ich mich bei unseren Stadtwerken für ihre Aufgeschlossenheit.

Ich wünsche mir, dass wir bei den weiteren Schritten der Gedenk- und Lernstätte ein gutes Miteinander aller Beteiligten und Interessierten finden und dass es einen offenen, ehrlichen und transparenten Weg bei den nächsten Entscheidungen geben wird.

Ich wünsche mir, dass in unserer Gesundheits- und Medizinstadt die „letzte Meile“ fröhlich und bewegt per Pedes begangen wird und dass keine – ökologisch als auch in Bezug auf Arbeitsbedingungen fragwürdige – E-Scooter die Stadt zusätzlich verstopfen werden.

Im neuen Jahr stehen wir im Kommunalwahlkampf, dabei wird es spannend werden und hierfür wünsche ich mir einen respektvollen und fairen Umgang miteinander. Ich wünsche mir auch, dass unsere Bürger*innen in den neuen Stadtrat keine rechte Alternative wählen und den demokratischen Parteien ihre Stimme geben. Dies sollte für uns alle ein Ansporn und eine Herausforderung sein.

Nun wünsche ich uns allen eine schöne Adventszeit, erholsame und frohe Weihnachten und freue mich auf die ruhige Zeit zum Jahreswechsel und ein Wiedersehen im neuen Jahr.

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