Gemeinsamer Antrag initiert von der Grünen Liste zusammen mit SPD, CSU, ÖDP, Klimaliste, Erlanger Linke, FDP und Freie Wähler aufgrund einer zivilgesellschaftliche Initiative von der jüdischen Kultusgemeinde, deren Freundeskreis und der Initiative kritisches Gedenken
Hintergrund: Vor 40 Jahren, am 19.12.1980, wurde der Erlanger Rabbiner und Verleger Shlomo Lewin sowie seine Lebensgefährtin Frida Poeschke in ihrem Haus in der Ebrardstraße erschossen. Als Täter des ersten antisemitischen Mordanschlags in Deutschland nach 1945 gilt der Burschenschafter und Neonazi Uwe Behrendt. Er war Vizechef der damals im nahen Ermreuth beheimateten Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG). Die Ermittlungen richteten sich lange gegen das enge Umfeld von Frida Poeschke und vor allem von Shlomo Lewin, rechte Motive wurden erst sehr spät in den Blick genommen. Bis heute ist der Fall nicht zur Gänze aufgeklärt: Uwe Behrendt flüchtete nach der Tat in ein paramilitärisches Ausbildungslager im Libanon und beging dort mutmaßlich Selbstmord; auch sind zentrale Akten leider unter Verschluss.
Frida Poeschke wurde als Frida Hauck 1923 in Langenzenn geboren und besuchte die Realschule. Über sie ist weniger bekannt. 1946 heiratete sie Michael Poeschke, der im gleichen Jahr für die SPD zum Oberbürgermeister in Erlangen gewählt wurde. Als politisch Verfolgter war er zwei Mal Gefangener im KZ Dachau. Nach dessen Tod 1959 lernte sie Shlomo Lewin kennen und die beiden wurden ein Paar. Sie engagierte sich stark für eine jüdisch-christliche Zusammenarbeit.
Shlomo Lewin wurde 1911 in Jerusalem geboren und wuchs in Deutschland auf. Dort lebte und arbeitete er, bis die NS-Verfolgung ihn zur Flucht zwang. Im damaligen Palästina schloss er sich der „Hagana“ an und lebte nach der Staatsgründung in Israel. 1960 kehrte er nach Deutschland zurück, unter anderem um dort wieder jüdisches Leben aufzubauen. Er war sehr aktiv im christlich-jüdischen Dialog, wurde Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Nürnberg und plante die Gründung der jüdischen Gemeinde Erlangen – seine Ermordung verhinderte dies und verschob die Gründung um 17 Jahre.
Immer wieder betonte Shlomo Lewin öffentlich die Gefahr, die nach wie vor von Antisemitismus und rechten Strukturen droht. 1977 warnte er in der italienischen Zeitung „OGGI“ vor alten & neuen Nazis, Karl-Heinz Hoffmann und der WSG. Im selben Jahr sprach er auf einer Kundgebung gegen einen geplanten revisionistischen „Auschwitz-Kongreß“ in Nürnberg:
„Wir müssen ihre Schandtaten und ihre Lügen […] aufzeigen. Die Menschen müssen aufwachen und sehen, welche Gefahr […] von diesen Faschisten wieder auf uns zukommt. […] Wir müssen ihnen das Handwerk legen“
Noch im April 1980 betonte Lewin in seiner Eröffnungsrede der „Wochen der Brüderlichkeit“ in Erlangen:
„Nach zwei Jahrtausenden Verleumdung und Verfolgung von Juden muß weiter daran gearbeitet werden, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen und sich gegen neue Anfechtungen zu schützen.“
Die Mahnungen verhallten ungehört, wenige Monate später wurde er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Frida Poeschke ermordet. Aus Antisemitismus, vor dem er so oft warnte. Von einem Neonazi, vor denen er so oft warnte. Von einem Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann, die er so oft konkret benannte.
Die Ermittlungen nahmen dennoch wochenlang keine rechten Motive in den Blick. Sie ermittelten gegen sein engstes privates Umfeld und gegen die jüdische Gemeinde. Sie unterstellten ihm eine „schillernde Vergangenheit“, brachten ihn mit Geheimdiensten in Verbindung und nahmen sein „Liebesleben“ unter die Lupe. Sein Cousin Arie Frankenthal bezeichnete die Ermittlungen und die Berichterstattung auf Lewins Trauerfeier als zusätzliche „geistige Ermordung […] nach dem schrecklichen körperlichen Tod“.
Auch wegen dieser öffentlichen Diffamierung blieb nach der Tat ein Aufschrei der Mehrheitsgesellschaft aus. Schnell war die Tat für 30 Jahre nahezu vergessen. Erst in den letzten Jahren setzte eine kommunale Erinnerung an den Mord und seine schrecklichen Umstände ein.
Zur Einrichtung des Preises:
Um Frida Poeschke und besonders Shlomo Lewin und ihrem Engagement zu gedenken, beantragen wir einen Preis für zivilgesellschaftlichen Einsatz gegen Antisemitismus, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit einzurichten: Den Shlomo-Lewin & Frida-Poeschke Gedächtnispreis. Er soll alle drei Jahre verliehen werden und mit insgesamt 15.000 € dotiert sein. Die Summe kann auf bis zu drei Preisträger zu gleichen oder unterschiedlichen Teilen aufgeteilt werden, zusätzlich ist die Verleihung einer undotierten Ehrenurkunde möglich. Der Preis kann als Ehren- und als Förderpreis verliehen werden. Geehrt werden können sowohl konkrete, bereits durchgeführte, Projekte wie auch zusammenhängende Verdienste einer natürlichen oder juristischen Person; als Förderpreis kann er an ausgearbeitete Projektideen verliehen werden, besonders, wenn eine anderweitige Förderung als unwahrscheinlich gilt.
Teilnahmeberechtigt sollen alle Einzelpersonen, Gruppen, Initiativen und Vereine sein, die sich gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und für einen respektvollen Umgang aller Menschen einsetzen, den interkulturellen und christlich-jüdischen Dialog fördern oder sich für die Entfaltung jüdischen Lebens bzw. die (Wieder-)Gründung jüdischer Gemeinden einsetzen. Die Projekte können an der Schule, Hochschule, am Arbeits- & Ausbildungsplatz, bei einem Verein oder öffentlich stattfinden. Die Projekte sollen sowohl aktuell als auch nachhaltig angelegt sein. Willkommen sind beispielsweise Theater-, Musik-, Film-, Medien-, Literatur-, Kunst-, oder Sportprojekte ebenso wie Begegnungs-, Bildungs- oder Forschungsprojekte.
Die Jury sollte die Gesellschaft abbilden, Expert*innen aus dem Bereich der Antidiskriminierungsarbeit und Vertretungen der Gruppen, die von Antisemitismus, Rassismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit betroffen sind, mit einbeziehen. So würden sich als regionale Jurymitglieder eine Vertretung des Ausländer- und Integrationsbeirats der Stadt Erlangen, eine Vertretung des Begleitausschuss „Demokratie leben!“, eine Vertretung des Jugendparlaments, eine Vertretung der Jüdischen Kultusgemeinde Erlangen, eine Vertretung des Freundeskreises der jüdischen Kultusgemeinde e.V. und eine Vertretung des Instituts für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung (ISFBB e.V.) anbieten. Darüber hinaus wären überregionalen Expert*innen aus dem Bereich der Antidiskriminierungsarbeit (z.B.: Max Czollek, Ronen Steinke, a.i.d.a e.V. München, LKS Bayern) zu berufen. Die im Stadtrat vertretenen Fraktionen und Ausschussgemeinschaften könnten den Jurysitzungen als nicht-stimmberechtigte Gäste beiwohnen. Für die Jury wird eine Satzung ausgearbeitet, die auch eine Aufwandsentschädigung für ihre externen Mitglieder umfasst. Die Jury sichtet die Bewerbungen und gibt eine Empfehlung für die Preisverleihung an den Stadtrat, der über die Preisträger*innen und die Dotierung der einzelnen Preise entscheidet.
Wir beantragen daher:
Die Verwaltung erarbeitet selbst oder über die Vergabe eines Werkvertrags ein detailliertes Konzept für die Einrichtung des Preises. Dieses sollte auch umfassen:
• Die Ausarbeitung eines Konzepts zur öffentlichen Bewerbung des Preises.
• Die Ausarbeitung einer Jurybesetzung und -satzung.
• Die nötigen personellen und finanziellen Ressourcen.