Rede zum städt. Haushaltsbeschluss GRÜNE/Grüne Liste, 11.01.2024
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleg:innen, liebe Erlanger:innen,
nun ist es bald fünf Jahre her. Im Mai 2019 hat Erlangen als erste bayrische Kommune den Klimanotstand ausgerufen. Das entsprechende Ziel wurde im November 2020 klar formuliert: Klimaneutralität der Gesamtstadt vor 2030. Es folgte in den Jahren 2021 und 2022 der Klima-Aufbruch-Prozess, inklusive Bürger:innen-Rat und Stakeholder-Gruppe. Ein Beteiligungsprozess, der Bürger:innen mit Expertise ausstattete und kommunale Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise entwickeln ließ – das ist bis heute ziemlich einmalig. Das Resultat: 41 Maßnahmen von denen 12+2 als Leuchtturmmaßnahmen zur unmittelbaren Umsetzung vorgesehen waren, wurden im Anschluss vom Stadtrat verabschiedet. Da allerdings die Stadtrats-Mehrheit der CSU-SPD-Kooperation mit dem letzten Haushalt 2023 die Verwaltung nicht mit allen Personalressourcen ausgestattet hatte, die für eine zügige und konsequente Umsetzung benötigt gewesen wären, kam es 2023 nur teilweise zum Aufbau vorgesehener Kapazitäten im Bereich Klimaschutz und so konnten nicht alle Leuchtturmmaßnahmen angegangen werden.
Unsere Kritik von damals ist weiterhin gültig: Angesichts einer sich zuspitzenden Klimakrise, bleiben auch in Erlangen die Energie-, Wärme- und Mobilitätswenden weit hinter dem Notwendigen zurück. Sie werden zwar theoretisch akzeptiert, die konsequente Umsetzung klimaschutzrelevanter Maßnahmen wird in der Praxis allerdings allzu oft gescheut und Alternativen werden ausgebremst. Das zeigt sich beispielhaft in Entscheidungen zu einer neuen KuBiC-Tiefgarage in der Fahrstraße, die trotz Fahrradstraße im Norden und geplanter Achse der Wissenschaften im Süden, ohne Not zweistöckig gebaut und damit Individualverkehr anziehen wird. Die fehlende Konsequenz bei der Übersetzung klimapolitischer Erkenntnisse in kommunales Handeln zeigt sich ebenso in Haltungen zum drei-spurigen Ausbau der A73 oder der Art und Weise der Erweiterung des Uni-Südgeländes, die existierende Landschaftsschutzgebiete für Bebauung freigibt und möglicherweise Schaden für das Naturschutzgebiet Exerzierplatz nach sich ziehen wird.
Meine Damen und Herren, allzu oft wird im Zweifel Klimaschutz und Klimaanpassung zurückgestellt. Weder werden Klimaschutzprojekte mit gebotener Eile und der nötigen Konsequenz vorangetrieben, noch werden die klimaschädlichen Auswirkungen von Vorhaben genügend sichtbar gemacht. In der Bewertung der fünf Jahre seit Ausrufung des Klimanotstands bedeutet dies: Die Klimawende kommt weiterhin nur viel zu zögerlich voran. Dies hat zugegebenermaßen verschiedene Gründe: die Unmittelbarkeit kurzfristiger Interessen, Zielkonflikte, knappe Ressourcen und begrenzte Finanzmittel. Es ist nicht so, dass wir uns diesen Argumenten verschließen würden. Ganz im Gegenteil: wir appellieren lediglich für einen nüchternen Blick auf die kurz- und eben gleichermaßen auf die langfristigen Folgen kommunalen politischen Handelns und ringen mit uns und anderen Fraktionen um die besten Lösungen in schwierigen Zeiten.
Mit Blick auf das Jahr 2024 und den vorliegenden Haushaltsentwurf waren die letzten Monate geprägt von vielen Gesprächen über Fraktionsgrenzen hinweg. Zwei Aspekte wurden für uns als Grüne Fraktion mit Blick auf das bevorstehende Jahr zunehmend wichtiger: erstens, die schnellstmögliche Einführung eines Klimahaushalts als Steuerungsinstrument, das Klimaauswirkungen und Klimafolgekosten sichtbar macht; und, zweitens, die konsequente Stärkung demokratischer Handlungsspielräume und des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Die Debatte über die haushaltspolitische Ausrichtung und unsere Haltung zum Verwaltungsentwurf steht für uns im Zeichen dieser beiden Schwerpunkte.
Ein wesentliches Problem des Klimaschutzes ist, dass Schäden klimapolitischer Versäumnisse zwar theoretisch errechnet, im alltäglichen Handeln allerdings bisher eher vage und wenig sichtbar bleiben. Während sich eine bestimmte Maßnahme meist sichtbar positiv oder negativ auf den Finanzhaushalt auswirkt, ist die Auswirkung auf Emissionshaushalte bisher viel zu oft nicht hinreichend erfasst. Die so genannten Klimafolgekosten werden „externalisiert“, das heißt ohne viel Aufsehen zu erregen an Dritte weitergereicht. Diese Form der Misswirtschaft hat ein solch besorgniserregendes Ausmaß erreicht, dass mittlerweile Lebensgrundlagen im Zuge der Klima- und Biodiversitätskrise weltweit bedroht sind. Dieses Problem ist als solches weitgehend erkannt. Zwar sollte ihm auf Bundesebene über das Klimaschutzgesetz Rechnung getragen werden, aber dort, wie auch auf fast allen anderen Ebenen begegnen uns Ambitions- wie Umsetzungslücken – so auch bei uns in Erlangen.
Bereits im Rahmen des Klima-Aufbruchs hat sich die Stadt Erlangen für einen Emissionsbudget-Ansatz entschieden. Mit der Klima-Aufbruch-Maßnahme S3 „Klimahaushalt“ wurde im Oktober 2022 eine Maßnahme verabschiedet, deren Ziel es ist, durch jährliche Emissionsbudgets den CO2-Ausstoß städtischer Akteure zu begrenzen und schrittweise zu reduzieren. Zwar kam es bislang aufgrund fehlender Personalressourcen nicht zu einer Umsetzung, aber das nun für 2024 mit dem Amt für Gebäudemanagement vorgesehene Pilotprojekt unter Federführung des Oberbürgermeisters sieht die Einführung eines Klimahaushalts als Steuerungsinstrument vor, mit dem Klimaschutz stärker in kommunalen Entscheidungsprozessen Berücksichtigung finden wird. Es bildet für uns somit einen richtungsweisenden Kern künftiger kommunaler Klimapolitik, da es uns eine Datenbasis über Emissions-Kosten und -Nutzen liefert. Verlässliche Zahlen können hier auch zu einer Versachlichung von Debatten und Entscheidungsprozessen beitragen.
Der „Klimahaushalt“ ist ein Pilotprojekt, das es in dieser Form bisher in keiner anderen deutschen Kommune gibt. Uns war es dabei wichtig, dass die Einführung und Verankerung des Klimahaushalts durch ein Austauschformat für Verwaltung, Politik und Wissenschaft begleitet wird. Ziel dieses Pilotprojekts ist es somit auch, Best Practice-Beispiele kennenzulernen und einen praxisorientierten Arbeitsprozess anzustoßen. Deshalb soll der Kontakt zu wissenschaftlichen Akteuren und anderen Kommunen explizit gesucht werden.
Mit dem Beschluss zur Einführung des Klimahaushalts im vor uns liegenden Jahr ist für uns eine wesentliche Hürde auf dem Weg zur Zustimmung zum Haushaltsentwurf genommen. Ebenfalls freuen wir uns, dass wir eine Bereitstellung von Mitteln für ein Klimamobil erreichen konnten, mit dem die Stadt Klimaschutzideen in die Stadt- und Ortsteile und damit zu den Menschen tragen kann. Weitere zentrale Anliegen wie die Fördertopfaufstockung des CO2-Minderungsprogramms konnten wir zwar nicht bewirken, allerdings konnten wir eine Halbierung, wie sie aus den Reihen des Stadtrats vorgeschlagen wurde, vermeiden. Förderprogramme haben eine große Reichweite, da jeder aus öffentlichen Mitteln investierte Euro zu einer privaten Investition in vielfacher Höhe führt. Uns war es wichtig, das Förderprogramm zumindest arbeitsfähig zu halten.
Wir freuen uns, dass die Stadtwerke sich auf den Weg gemacht haben die Fernwärme zu dekarbonisieren. In der Vergangenheit haben wir zusammen mit Klimaliste und ÖDP über einen gemeinsamen Antrag die Errichtung von Großwärmepumpen und einem Wärmespeicher gefordert. Diese Lösungen zur Dekarbonisierung finden sich jetzt auch in der durch die Erlanger Stadtwerke beauftragten Studie wieder und es ist gut, dass sie jetzt angegangen werden. Wir hoffen, dass bereits im nächsten Jahr erste Großwärmepumpen in Erlangen in Betrieb gehen können und weitere folgen. Dieser Transformationspfad zur Fernwärme-Dekarbonisierung muss in den nächsten Jahren kontinuierlich fortgesetzt und durch Projekte der regenerativen Stromerzeugung und dem Netzausbau flankiert werden. Die Errichtung von Windrädern auf Erlanger Stadtgebiet – wie an der Stadtgrenze bei Hüttendorf angedacht werden – ist dabei eine großartige Chance für unsere Stadt. Deshalb unterstützen wir das Projekt ausdrücklich! Wichtig für den Erfolg all dieser Maßnahmen ist eine enge Zusammenarbeit der Stadtwerke mit dem Referat für Planen und Bauen als auch mit dem Referat für Umwelt und Klimaschutz.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Haushaltsentwurf ist aus unserer Sicht nicht so ambitioniert, wie wir ihn uns wünschen. Dennoch können wir in manchen Bereichen Fortschritte anerkennen. Im kommenden Jahr wird es mit den geplanten Sanierungen des Fridericianum, der Stadtteilschule Büchenbach, sowie der Planung zu den naturwissenschaftlichen Fachräumen am Emmy-Noether-Gymnasium voraussichtlich vorangehen. Auch die Umgestaltung des Egidienplatzes oder die Rad- und Fußweg-Verbindung zwischen Main-Donau-Kanal und dem Bolzplatz Hüttendorf, für die wir nun die Mittel beschließen, begrüßen wir explizit. Wichtig ist uns auch eine verstärkte Entsiegelung städtischer Plätze, insbesondere angesichts der zahlenmäßig zunehmenden und heißeren Sommertage. Daher freuen wir uns über die Zusage, dies am Innenhof im Egloffsteinschen Palais anzugehen. Darüber hinaus halten wir für die Stadtbibliothek verstärkte Anstrengungen zur Behebung des massiven Platzmangels für notwendig.
In der Bewertung des vor uns liegenden Jahres und des Haushaltentwurfs gibt es für uns neben der Einführung des Klimahaushalts einen zweiten Schwerpunkt, nämlich die Stärkung demokratischer Handlungsspielräume und des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Mit dem seit Jahren beobachtbaren Erstarken des Rechtsextremismus sowie angesichts zunehmenden Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus im Zuge des Massakers vom 7. Oktober, heißt es für uns wie für hoffentlich alle demokratischen Parteien und Fraktionen: keine inhaltlichen Differenzen sind so groß, dass wir uns durch menschenfeindliche Ideologien und ihre Vertreter auseinanderdividieren lassen.
Das vor uns liegende Jahr wird mit der Europawahl, mit Landtagswahlen in drei sowie Kommunalwahlen in acht Bundesländern, mit der Wahl in den USA, mit womöglich anhaltenden Bildern von unschuldig Getöteten in der Ukraine und im Nahen Osten, mit einer weiteren Zuspitzung der Klimakrise – ja , dieses vor uns liegende Jahr wird möglicherweise ein Jahr voller Zerreißproben für die demokratische Verfasstheit unserer Gesellschaften. Als Demokrat:innen dürfen wir uns von der extremen Rechten und ihren Geschwistern im Geiste nicht ihre auf Ausgrenzung abzielende Agenda bestimmen lassen. Wir dürfen nicht ihre Erzählungen oder ihre Wortwahl übernehmen. Stattdessen müssen wir hier Mittel und Wege finden, auch bei aller Unterschiedlichkeit der Positionen im Gespräch zu bleiben und im konstruktiven Austausch um die besten Lösungen zu ringen. Einfach wird das nicht. Denn: auch hier in Erlangen gibt es Potenziale für besseres Zusammenarbeiten, ehrlicheres Kommunizieren, und respektvolleres Streiten, wie das zurückliegende Jahr ebenfalls gezeigt hat.
Man möge nur zurückdenken an die größeren stadtpolitischen Debatten des vergangenen Jahres – zur Stellungnahme der Stadt bezüglich der Umgestaltung des Klinikgeländes der Uni-Klinik oder zur Erweiterung des Uni-Südgeländes. Starke Partner, wie es die Stadt Erlangen, die Universität und Siemens sind, müssen sich und ihre Beschlüsse nicht verstecken, sondern ihre Vorhaben insbesondere im Planungsprozess offen diskutieren und Verbesserungen zugänglich machen. Die Besuche und Auftritte von Vertreter:innen der Universität und von Siemens im Erlanger Stadtrat zeugen von der Bereitschaft sich der Diskussion zu stellen. Wenig nachvollziehbar war für uns der seitens der SPD-CSU-Kooperation vernehmbare Vorwurf eines Wortbruchs, sobald kritische Fragen gestellt und mögliche Alternativen ins Spiel gebracht wurden. Solche Vorwürfe beenden die konstruktive Debatte und zielen stattdessen darauf ab, ein offenes und transparentes Ringen um gute Lösungen für Erlangens Stadtentwicklung zu blockieren. Die gemeinsame Suche nach Lösungen in kritisch-konstruktiver Debatte ist eben nicht mit dem Vorwurf fehlender Unterstützung für Universität oder Siemens zu quittieren, sondern als die Suche nach dem bestmöglichen Ergebnis für alle Beteiligten ernst zu nehmen.
Im kommenden Jahr stehen erneut weitreichende Entscheidungen an, unter anderem auch zur Stadt-Umland-Bahn. Sämtliche großen Arbeitgeber der Region haben auf die Bedeutung der StUB für die gesamte Metropolregion hingewiesen. Als Fortführung des schienengebundenen Nahverkehrs von Nürnberg über Erlangen bis nach Herzogenaurach halten wir die StUB für das wegweisende Projekt der Mobilitätswende in unserer Region. Nur mit Hilfe der StUB kann eine echte, attraktive Alternative zum privaten PKW geschaffen werden. Deshalb beteiligen wir Grüne uns an der Initiative WIR PRO StUB und werben für eine breite Unterstützung des Projekts. Gleichzeitig appellieren wir an Sie als Vertreter:innen der demokratischen Parteien und Fraktionen sich der Debatte um die StUB verantwortungsvoll und konstruktiv zu stellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Grüne Stadtratsfraktion wird dem Haushalt für das Jahr 2024 zustimmen. Einfach haben wir es uns mit dieser Entscheidung nicht gemacht, insbesondere aufgrund des in diesem Jahr wenig transparenten Verfahrens zum Stellenplan. Im Rahmen der Gespräche hat jedoch die Einführung eines Klimahaushalts und die Anerkennung der anstehenden Herausforderungen, denen wir nur gemeinsam, über die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, begegnen können, für uns dieses Mal den Ausschlag gegeben. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Dr. Christian Eichenmüller, Sprecher für Umwelt- und Klimaschutz, Wirtschaft und Partizipation