Erlangen zukunftsfähig aufstellen: Von der Kunst am richtigen Ende zu sparen

Positionspapier der Grünen Fraktion zum städtischen Haushalt

Die in diesem Jahr bekannt gewordenen Gewerbesteuereinbrüche haben den Haushalt der Stadt Erlangen in historischem Maß erschüttert. Es fehlen weit über 100 Millionen Euro, die Stadt muss an allen Ecken sparen.
Bereits jetzt ist absehbar, dass der vorliegende Entwurf des Haushaltes 2025 keine Genehmigung durch die Regierung erhalten wird: Die erlaubten Kassenkredite, sozusagen der Dispokreditrahmen der Stadt, werden um 8 Millionen Euro überschritten. Das heißt Erlangen wäre im Jahr 2025 zahlungsunfähig und deshalb ist eine weitere Sparrunde unausweichlich.

Baukostensteigerungen sowie die Übertragung von Pflichtaufgaben an die Kommunen z.B. im Bereich Kinder und Familien ohne entsprechende Gegenfinanzierung haben den städtischen Haushalt schon in den letzten Jahren zunehmend unter Druck gesetzt. Die Umsetzung des Erlanger Klimaaufbruchs und notwendige Investitionen bei Bildung und Betreuung waren in den vergangenen Jahren von der Kooperation nicht ausreichend priorisiert – trotz der noch guten Haushaltslage.

Wir als Grüne Fraktion bedauern die rechtlichen Rahmenbedingungen für kommunale Haushalte. Sie lassen es nicht zu den aktuellen Krisen wie Klimakollaps, Bildungsmisere und soziale Schieflagen nachhaltig zu begegnen und ausreichend in unsere Zukunft zu investieren. Trotz oder gerade wegen dieser schwierigen Rahmenbedingungen gilt für uns aber: Jetzt erst recht! Schaffen wir das maximal mögliche. Lasst uns in dieser schwierigen Lage gemeinsam einen gerechten, zukunftsfähigen Haushalt aufstellen.

Konkret sind wir bereit einige harte Einzelmaßnahmen aktiv mitzutragen wie z.B. die Wiederbesetzungssperre von 6 Monaten, das Auslaufen der Arbeitsmarktzulage, die Erhöhung der Grundsteuer, die Erhöhung zahlreicher Gebühren etc..

Damit ergeben sich notwendige Spielräume um weiter handlungsfähig zu bleiben, einen fairen Ausgleich zu finden und unzumutbare Härten zu vermeiden.

Denn: Wir können diese Haushaltskrise nur gemeinsam meistern, wenn alle Bereiche der Stadt und ihrer Töchter, Unternehmen, Bürger*innenschaft und Vereine, ihren Beitrag zur Konsolidierung leisten – gemessen an ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit.

Leider haben die Stadtspitze und die Kooperation von CSU und SPD einen anderen Weg eingeschlagen: Sie geben vor, in allen Bereichen im gleichen Ausmaß sparen zu wollen. Die Sparvorgabe für alle Ämter war 10%.
Aber ist das tatsächlich so?
Ein genauer Blick zeigt: Bei Zukunftsthemen wie dem Klimaschutz wird am meisten gespart wird.
Gibt es wenigstens einen fairen Ausgleich? Fehlanzeige! Gerade den Schwächeren wird deutlich mehr zugemutet.

Klimaschutz und Klimaanpassung

Das Budget des Umweltamts wird um 75% gekürzt. Stadtspitze und Kooperation behandeln den Bereich als „nice-to-have“ und nicht als existentielle Grundlage, um Katastrophen vorzubeugen und unsere Stadt auch in Zukunft lebenswert zu erhalten.

Klimaschutz funktioniert nur, wenn Stadt, Bürger*innenschaft und Unternehmen an einem Strang ziehen – egal ob reich oder arm. Dafür braucht es sowohl Beratungs- wie auch Förderangebote, gerade für Menschen mit geringen Einkommen. Die Förderung für Mieterstromberatung ist genauso dem Rotstift zum Opfer gefallen, wie der Ersatz von stromfressenden Elektrogeräten. Nun werden selbst die jährlich benötigten Gelder für den Austausch der Straßenbeleuchtung mit LED-Leuchtmitteln nicht bewilligt. Dies ist nicht nachvollziehbar, da benötigtes Personal vorhanden ist und die Maßnahme sich in wenigen Jahren amortisiert haben.

Ohne Fortführung bleibt das Pilotprojekt Klimahaushalt im Amt für Gebäudemanagement eine Eintagsfliege, die keine Wirkung entfalten kann. Dieses von uns initiierte Steuerungsinstrument misst die städtischen CO2-Emissionen und liefert solide Daten zu Emissionskosten und -nutzen. Damit würden Debatten zum Klimaschutz versachlicht werden und Investitionen könnten endlich auch nach Klimawirksamkeit priorisiert werden – gerade in Zeiten klammer Kassen unerlässlich.

Bildung

Im Bildungsbereich fließen die insgesamt unzureichenden Mittel vor allem in Gymnasien und die Berufsschule. Aber besonders der Zustand einiger Grund- und Mittelschulen ist unzumutbar, vor allem auch in sozial angespannten Stadtteilen stehen notwendige Investitionen nicht einmal auf der Merkliste. Der Zustand an der Pestalozzischule ist desaströs. Hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf! Wir sehen, dass die derzeitige Sanierungsliste ausgerechnet die Schulen aus ärmeren Stadtteilen benachteiligt. Für uns gilt: Wir brauchen gute Gymnasien und Realschulen; aber wir brauchen ebenso gute Mittel- und Grundschulen, gleichberechtigt. Alle anstehenden Schulsanierungs- Ausbau- und Neubauplanungen müssen in Hinblick auf die Dringlichkeit neu bewertet und priorisiert werden. 
Auch das massive Sparen beim Ferienprogramm ist ein fatales Signal, nicht nur für berufstätige Eltern. Gute Kinderbetreuung war auch laut der letzten Umfrage auch für unsere Unternehmen ein zentraler Standortfaktor. in diesem Bereich die städtischen Angebote fast zu halbieren, halten wir für einen großen Fehler!

Wir dürfen nicht vergessen, dass das städtische Haushaltsloch nicht die einzige Krise ist, in der wir uns befinden. Es braucht qualitativ hochwertige Bildungsangebote und eine gut ausgestattete Kinder- und Jugendhilfe, um den steigenden und veränderte Bedarfen von jungen Menschen gerecht zu werden. Wenn dort gespart wird, wird das schwerwiegende Folgen haben.  

Soziales

Besonders deutlich zeigt sich die falsche Priorisierung der Kooperation bei Sozial- und Integrationsleistungen. Hier wird nicht nach dem Rasenmäherprinzip 10%, sondern viel mehr gespart:
– Die Mittel des Sonderfonds gegen Armut und Obdachlosigkeit und die Zuschüsse für den Sozialtreff werden halbiert
– Die Mittel für Deutsch- und Integrationskurse um über 40% gekürzt,
– Menschen die auf das Sozialticket angewiesen sind werden einen Aufschlag von 100% bezahlen müssen.

Im Sinne einer solidarischen Stadtgesellschaft sollte doch gelten:  Starke Schulter tragen mehr, schwächere Schultern tragen weniger.
Die bisherigen Vorschläge zeichnen ein gegenteiliges Bild, denn die vorgeschlagenen Sparmaßnahmen sind zu einseitig und ungerecht. 

Kultur

Die Sparvorhaben im Kultur- und Vereinsleben offenbaren eine massive Schieflage. Für uns als Grüne Fraktion ist Kultur für alle Schichten und ein aktives Vereinsleben zentral für gesellschaftliche und demokratische Teilhabe.
Die Abschaffung des Projekts miteinandER beim Stadtjugendring und der damit verbundene Wegfall von Arbeitsplätzen wird vorhandene soziale Spannungen verschärfen, statt diese zu bekämpfen. Angesichts des Rechtsrucks können wir uns Kürzungen in der Demokratieförderung gesellschaftlich nicht leisten. Die massiven Einsparungen von 36% im Bereich der Förderung kleinerer Vereine und Kulturinitiativen schaffen Ungleichheiten und zerstören ehrenamtliche Strukturen, die nur schwer wieder aufzubauen sind.

Die potentiellen Einsparungen beim Kulturzentrum E-Werk werden ebenso zu einem Stellenabbau und zu einer Reduzierung des soziokulturellen Programms führen – auch hier wird also gerade beim niedrigschwelligen Angebot für Ehrenamtliche, Familien und Kindern gespart. Derartige Sparmaßnahmen sind schwer vermittelbar, wenn in Bereichen der Hochkultur teils nur 7% gespart wird, obwohl diese Angebote von wesentlich weniger Menschen genutzt werden. 

Wirtschaft und Digitalisierung

Die wirtschaftliche Stabilität unserer Stadt hängt eng mit der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit zusammen. Gute Kinderbetreuung und Bildung sind zentrale Standortfaktoren für Unternehmen. Ebenso wichtig ist ein starkes Engagement im Klimaschutz, das nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Vorteile bringt. Investitionen in erneuerbare Energien, Energiesparmaßnahmen und nachhaltige Mobilität zahlen sich langfristig aus und schaffen Arbeitsplätze. Deshalb unterstützen wir ausdrücklich:

– die weitere Planung und den Bau der Stadt-Umland Bahn,
– den Bau von Windrädern im Südwesten des Stadtgebiets,
– die Transformation zu einer C02 neutralen Wärmeerzeugung unserer Stadtwerke.
– das Vorantreiben der Digitalisierung, um Verwaltung möglichst effizient aufzustellen – zum Wohle von Bürger*innen und Wirtschaft.

Wir begrüßen die Weiterentwicklung unseres Wirtschaftsstandortes durch Investition, Innovation und die Schaffung neuer Arbeitsplätze, z. B. am Uni Südgelände, am Siemens Campus, in der Frauenauracherstraße sowie auf brachliegenden Industrieflächen im Stadtgebiet.

Eine nachhaltige Wirtschaftspolitik muss integraler Bestandteil unseres Haushalts und des städtischen Handelns sein. Nur so kann die Zukunft unserer Stadt dauerhaft sichergestellt werden.

Forderungen und Vorschläge

In Zeiten von Polarisierung und egoistischer Hetze müssen wir in Krisen zusammenstehen. Dafür müssen Prozesse transparent und verlässlich sein, Priorisierungen klug vorgenommen und Lasten gerecht verteilt werden.
Wir sind bereit uns in eine transparente und konstruktive Debatte zu den Priorisierungen einzubringen, um einen genehmigungsfähigen Haushalt zu bekommen.

Dabei müssen wir unsere Zukunft aktiv gestalten und soziale Schieflagen vermeiden. D.h. für den HH 2025 stellen wir konkret Anträge für mehr Klimaschutz, eine sozial gerechtere Verteilung von Einsparmaßnahmen und Umpriorisierung des Schulsanierungsprogramms.

Gleichzeitig werden wir uns als Opposition nicht aus der Verantwortung stehlen, sondern ganz konkret Vorschläge machen, in welchen Bereichen ohne gravierende Konsequenzen mehr gespart oder die Einnahmeseite erhöht werden kann. Jüngste Beschlussvorlagen zu neuen Luxus-Sportanlagen inkl. Golfplatz legen beispielsweise den Eindruck nahe, dass nicht alle die Dramatik der Finanzkrise erkannt haben. Auch die Reduzierung der im HH-Entwurf bereits enthaltenden Grundsteuererhöhung führt zu ca. 1 Mio Mindereinnahmen. Wir fordern die Kooperation auf klar zu benennen, wo dieses fehlende Geld hergenommen werden soll.

Jede Krise bietet zudem auch die Chance eine grundlegende Aufgabenkritik innerhalb der Verwaltung durchzuführen, sich zu fokussieren und damit mittel- und langfristig handlungsfähig zu bleiben.

Das bedeutet für uns, ohne Denkverbote zu prüfen, ob einzelne Aufgaben der Verwaltung noch ausgeübt werden müssen. Dabei muss auch eine sachgerechte und wirtschaftliche Wahrnehmung aller Aufgaben sichergestellt werden.
Nur so können wir für die unvermeidbar harten Einsparungen Akzeptanz finden.

Wir als Grüne Fraktion bringen uns konstruktiv in den Haushaltsprozess ein, sind bereit harte Einzelmaßnahmen mitzutragen, ein verkürztes HH-Verfahren zu akzeptieren und konstruktive Debatten zur Priorisierung von Einsparungen zu führen.

Allerdings erwarten wir auch, dass die Kooperation aus CSU und SPD ihre Hausaufgaben macht.

Dazu gehört, dass der durch die Kämmerei eingebrachte Haushaltsentwurf gilt und nicht durch drastische Änderungen der Einnahmeseite „Stichwort Grundsteuer“ Makulatur wird. Immerhin wurde der Stadtrat von der Kämmerei Wochen im Voraus informiert und einbezogen.

Dazu gehört auch, dass ohnehin schon verkürzte HH-Verfahren nicht durch spontane Sondersitzungen weiter zu strapazieren.
Dazu gehört also Vertrauen und Verlässlichkeit.

Wir sind bereit uns konstruktiv in das HH-Verfahren einzubringen und die richtigen Prioritäten zu setzen um Erlangen handlungsfähig und zukunftsfähig aufstellen.