Unausgewogenheit der Kürzungen

Grüne Rede zum städtischen Haushalt 2025 in der Stadtratssizung am 16.01.2025 – von Eva Linhart
Wir befinden uns in einer Zeit großer Herausforderungen – für unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft und auch für unsere Demokratie. Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist angespannt: Die Konjunktur stagniert, die Preissteigerung der letzten Jahre belasten privaten Haushalte ebenso wie Unternehmen, und viele Menschen blicken mit Sorge auf ihre finanzielle Zukunft. Diese Unsicherheiten treffen auch viele Kommunen hart.

Bis Mitte letzten Jahres dachten wir noch, Erlangen bliebe von all dem verschont, quasi ein sicherer Hafen in den unruhigen Gewässern der Wirtschaftskrise. Erlangen galt als Vorzeigestandort in Deutschland. Im renommierten Prognos-Zukunftsatlas 2022 belegte unsere Stadt Platz zwei der wirtschaftlich stärksten Regionen – ein Standort mit bester Innovationskraft, florierender Wirtschaft und hohen Gewerbesteuereinnahmen. Doch heute stehen wir vor einer völlig anderen Realität: Ein massiver Einbruch der Gewerbesteuer hat unsere Stadt unvorbereitet getroffen. Etwa 150 Millionen Mindereinnahmen für 2024 und ca. 70 Millionen für 2025 – ein dramatischer Rückgang, der uns in die tiefste Finanzkrise der Stadtgeschichte gestürzt hat.

Der städtische Haushalt ist nicht mehr genehmigungsfähig, unsere Stadt wird 2025 erstmalig unter der Haushaltsaufsicht der Bezirksregierung Mittelfranken stehen und ist damit nicht mehr eigenständig handlungsfähig sein.
Die Konsequenzen sind gravierend: Überall muss gespart werden, Stellen werden nicht wieder besetzt und teilweise gestrichen, befristete Verträge nicht verlängert und natürlich gibt es Kürzungen bei Zuschussempfängern. Das heißt, der sichere Hafen gibt es so nicht mehr.

Diese Entwicklung muss für uns alle ein Weckruf sein. Es darf nicht wieder passieren, dass eine Stadt wie Erlangen so unvorbereitet von einer Finanzkrise getroffen wird.
Denn eine solche Krise ist nicht nur eine Frage von Zahlen und Bilanzen – sie bedeutet auch eine Belastungsprobe für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Eine schwächelnde Wirtschaft verunsichert Menschen und ist damit Nährboden für Radikalisierung. Das Erstarken demokratiefeindlicher Kräfte ist ein deutliches Warnsignal: Wenn Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren, suchen sie nach einfachen Antworten auf komplexe Probleme – Antworten, die spalten statt zu einen. Unsere Aufgabe ist es deshalb, als Stadtpolitik klare Zeichen zu setzen: für Zusammenhalt, für soziale Gerechtigkeit und für eine nachhaltige Zukunft.

Was heißt das konkret?

Als Stadt Erlangen müssen wir alles tun, um wieder eigenständig handlungsfähig zu werden, um wieder unsere Zukunft selbst gestalten zu können. In der aktuellen Lage gibt es dafür kurzfristig nur zwei Hebel:

Die Einnahmeseite:
Folgerichtig haben wir Grüne alle Gebührenerhöhungen der letzten Monate mitgetragen – auch wenn es uns schwergefallen ist. Das galt auch für die von der Kämmerei vorgeschlagenen Grundsteuererhöhung auf das Niveau von 2019. Auch wenn die Systematik der bayerischen Grundsteuer sozial weniger gerecht ist, als in anderen Bundesländern, da der Wert der Grundstücke keine Berücksichtigung findet, ist es trotzdem eine Steuer, bei der starke Schultern mit viel Flächenbesitz mehr stemmen als Menschen, die wenig haben und auf engem Raum leben.

Mit der Festlegung eines niedrigeren Grundsteuerhebesatzes, als von der Kämmerei vorgeschlagen – unter das Niveau von 2019 – hat die CSU/SPD Kooperation ohne Not auf einen Teil dieser Einnahmen verzichtet. Damit wurde unsere Handlungsfähigkeit weiter eingeschränkt. Das, liebe Erlanger*innen, ist kein verantwortungsvolles Handeln in Zeiten einer finanziellen Krise!

Der zweite Hebel, den wir kurzfristig haben ist die Ausgabenseite:
Das heißt wir kommen nicht umhin zu sparen. Die Gretchenfrage dabei ist: Wieviel an welcher Stelle? Das proklamierte „Rasenmäherprinzip“ mit 10% Einsparung überall erweist sich bei genauerer Betrachtung als Mogelpackung. Besonders deutlich wird dies im Bereich des Klimaschutzes: Das CO2-Minderungsprogramm wurde vollständig gestoppt – also keine Förderung mehr von Zukunftsinvestitionen für Haushalte wie z.B. PV- Anlagen, Batteriespeicher und Gebäudesanierung. Das Budget für Vorgriffsmaßnahmen zu energetischen Sanierungen an städtischen Gebäuden mit sehr hohem Energieverbrauch ist vollständig gestrichen worden – auch wenn sich solche Maßnahmen oft mittelfristig über die Energiekosten rechnen, genau wie LED-Umrüstungen, die ebenfalls massiv zusammen gestrichen wurden.

„Auch bei den Sozialleistungen wird in nahezu allen Bereichen weit über die 10%-Marke hinaus gespart, z.B. auch beim Sozialticket, dass um 100% teurer. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen ist keine faire Lastenverteilung und passt nicht ins vielzitierte Leitbild Integration unserer Stadt!

Auf diese Unausgewogenheit der Kürzungen haben wir im Rahmen der HH-Verhandlungen mehrfach hingewiesen.
Während z.B. bei Klassikkonzerten in den nächsten drei Jahren nur minimal gespart wird – gerade einmal 7 Prozent – oder eben ohne Not auf Einnahmen bei der Grundsteuer verzichtet wird, trifft es den Sozialbereich mit voller Wucht und auch zukunftsweisenden Klimaschutzinvestitionen fallen als erstes dem Rotstift zum Opfer.
Gerade jetzt, wo wir beim Klimaschutz Tempo aufnehmen müssten, ziehen wir also die Handbremse an. Diese falsche Priorisierung können wir leider nicht mittragen!

Und es gibt noch ein anderes Zukunftsthema, dass uns massiv umtreibt. Das ist das Thema Schulen. Verwundert haben wir uns kürzlich die Augen gerieben über einen Presseberichts mit der Überschrift „Die Haushaltslage ist im Schulalltag nicht spürbar“.
Da sehen wir leider eine ganz andere Realität.

Trotz guter Haushaltslage sind in den letzten Jahren einige Schulen, wie die Pestalozzischule oder das Gymnasium Fridericianum durchs Raster gefallen. Aufgrund von räumlicher Enge und Sanierungsstau kann teilweise kein lehrplankonformer Unterricht stattfinden. Durch die Haushaltskrise ist in den nächsten Jahren keine Besserung in Sicht. Auch die geplante Stadtteilschule im Erlanger Westen rückt in weite Ferne. Gleichzeitig fürchten wir, dass der zusätzliche Raumbedarf durch das G9 und der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung nicht rechtzeitig gedeckt werden kann. Leider wurde auch hier deutlich zu spät gehandelt. Das heißt wir werden unserer Pflichtaufgabe als Sachaufwandsträger für Schulen nur noch eingeschränkt gerecht.
Die gravierende Versäumnisse und schulpolitischen Defizite der letzten Jahre werden jetzt durch die Krise verschärft.

Also, so kann es nicht weitergehen!

Investitionen in Klimaschutz, Bildung und sozialen Zusammenhalt dürfen auch in stürmischen Zeiten nicht unter die Räder kommen, denn sie sind der Schlüssel für unsere Zukunft.
D.h. wir müssen möglichst schnell wieder handlungsfähig werden.
Gelingen kann das nur gemeinsam mit der ganzen Stadtgesellschaft, den Menschen, den Institutionen unserer Verwaltung und natürlich unseren Unternehmen.
Gemeinsam müssen wir Perspektiven schaffen, um zusammen mit einer starken Wirtschaft die Herausforderungen unserer Zeit zu stemmen.
Dazu gehört auch die Frage, wie wir resilienter werden können. Wieso ist die Stadt völlig unvorbereitet von der Finanzkrise überrascht worden?
Der extreme Gewerbesteuereinbruch 2024 auf 30% der geplanten Einnahmen resultiert auch aus sehr hohen Rückzahlungen für das Vorjahr. Es wäre leichter gewesen, wenn wir frühzeitiger davon gewusst, unsere Ausgaben angepasst und rechtzeitig gegengesteuert hätten.

Aus dieser Entwicklung müssen wir lernen, um zukünftiger frühzeitiger gewarnt zu werden. Könnte z.B. ein engerer Austausch der Stadtspitze mit den großen Gewerbesteuerzahlenden unserer Stadt helfen Warnsignale früher zu erhalten, gemeinsam ein Frühwarnsystem zu entwickeln, um eher von relevanten wirtschaftlichen Veränderungen zu erfahren? Welche Ideen es gibt, aus der Krise zu lernen – dazu habe ich bislang nichts gehört.

Wesentliche Voraussetzung für ein gutes Miteinander, für eine starke Partnerschaft mit unseren Unternehmen ist Vertrauen und Verlässlichkeit. Einmal getroffene Vereinbarungen müssen auch Gültigkeit haben. Das gilt ganz besonders für Großprojekte wie die Stadt-Umlandbahn. Nur zur Erinnerung, für alle die nicht dabei waren: Noch zu Zeiten eines CSU- Oberbürgermeisters wurde auf Basis eines Stadtratsbeschlusses im Jahr 2013 eine Vereinbarung mit der CSU-Staatsregierung und der Firma Siemens unterzeichnet, bei der es um die Unterstützung der Stadt-Umland Bahn ging. Im Vertrauen auf die Gültigkeit dieser Vereinbarung hat Siemens mehr als eine halbe Milliarde in unseren Campus investiert.

In diesem Jahr haben wir erlebt, wie die lokale CSU das Projekt massiv bekämpft hat. So meine Damen und Herren funktioniert kein vertrauensvolles Miteinander. Das ist keine verantwortungsvolle Politik!

Die Haushaltskrise hat uns auch gezeigt, wie verwundbar wir sind, wenn wir uns zu stark von einzelnen Unternehmen abhängig machen. D.h. um resilienter zu werden müssen wir unsere Wirtschaft auf eine breitere Basis stellen, versuchen für neue, starke Unternehmen attraktiv zu sein.

Dabei haben wir als Stadt durchaus einiges zu bieten: Eine innovative Universität mit hochqualifizierten Absolventen, eine attraktive Stadt mit kurzen Wegen und ein breites Bildungsangebot. Was ich vermisse, ist ein durchdachtes Konzept, einen Masterplan Wirtschaft, um festzulegen, wie wir unsere lokale Industrie stärken und wie wir gezielt neue, leistungsstarke Unternehmen Erlangen ansiedeln wollen.
Stattdessen gibt es die reflexartige Forderung nach einem neuen Gewerbegebiet. Dabei haben wir in der Stadt unzählige leerstehende Bürogebäude, die genutzt werden könnten. Auch Industrieflächen wie das Kempe Gelände liegen seit Jahren ungenutzt brach. Gleichzeitig wird am Siemens Campus ein Teil des Gewerbegebiets in Wohnbebauung umgewandelt. Das ist doch ein Widerspruch!

Und wir fragen uns auch: Liegt die Zukunft eines Hochtechnologiestandortes wie Erlangen tatsächlich in flächenintensiven Produktionsstätten, für die wir ein neues Gewerbegebiet brauchen? Davon sind wir ehrlich noch nicht überzeugt!
Es bleibt abzuwarten, welche Fläche am Ende dem Gewerbegebiet geopfert werden soll. Fest steht aber, dass Flächen eine unserer wertvollsten ökologischen Ressourcen ist, die wir keinesfalls leichtfertig versiegeln dürfen!
Da, liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir Grüne nicht mit!

Zum Abschluss bleibt noch mich bei unserer großartigen Verwaltung zu bedanken. Unsere Kämmerei hatte dieses Jahr bei der Haushaltsaufstellung durch die Sparrunden noch mehr zu leisten als sonst. Das lief sicher nicht einfach so nebenher. Und auch alle Referate und Ämter haben mitgezogen und ihren Beitrag geleistet.
Und dabei wissen alle, dass wir noch nicht am Ende der Fahnenstange angekommen sind, die nächste Konsolidierungsrunde startet jetzt gerade.
Deshalb lässt es sich nicht oft genug betonen: Vielen Dank an alle die ihren Beitrag geleistet haben. Diese Anstrengungen verdienen höchsten Respekt und Anerkennung!

Jetzt schon klar ist, dass die Sparrunden nicht nur der Verwaltung, sondern der ganzen Stadtgesellschaft einiges abverlangen werden. Um so wichtiger ist eine gute Kommunikation mit den Betroffenen. Ganz aktuell erleben wir, dass dies z.B. bei Aktiv Card nicht gelungen ist . Wir werden von vielen Ehrenamtlichen kontaktiert, die unsicher sind, ob die Vergünstigungen noch gelten oder nicht. Gleichzeitig liegt kein Beschluss zur Abschaffung vor. So sollte es nicht laufen!
Neben den vielen Herausforderungen sehen wir die Krise aber auch als Chance. Eine Chance besser und effizienter zu werden, eine Chance digitaler zu werden, Datenflüsse zu optimieren und unsere Kräfte zu bündeln, Es gibt z.B. Aufgaben, die parallel an mehreren Stellen angesiedelt sind – exemplarisch fallen mir da die Gesundheitskurse ein, die an der VHS, beim Sportamt und beim Personalamt gebucht werden können. Solche und viele weitere Potentiale müssen wir mutzen, um so besser für die Zukunft gerüstet zu sein.

Lassen Sie uns deshalb gemeinsam die Chancen nutzen, die in dieser Krise stecken. Wir dürfen uns trotz Unsicherheiten nicht entmutigen lassen, sondern müssen entschlossen nach vorne blicken. Wie bisher werden wir Grüne auch zukünftig bereit sein verantwortungsvolle Schritte mitzutragen, um unsere Stadt zukunftsfest aufzustellen. Dabei sind Klimaschutz, Bildung und sozialer Zusammenhalt keine Luxusthemen, sondern Überlebensfragen für unsere Stadt.
Ich appelliere an Sie alle: Lassen Sie uns alle Anstrengungen darauf legen finanziell wieder in ruhigeres Fahrwasser zu gelangen, wieder eigenständig handlungsfähig zu werden – ohne dabei den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere Zukunft aufs Spiel zu setzen.

Damit wir weiterhin alle gut und gemeinsam leben können! Vielen Dank!