Neubau von GBW-Wohnungen im Erlanger Süden

Streit um Baumfällungen wird auch mit falschen Behauptungen ausgetragen

Die Schaffung von dringend notwendigen Wohnraum hat in Erlangen hohe Priorität, darüber sind sich alle einig. Bei der Umsetzung jedoch scheiden sich die Geister, bei fast allen Nachverdichtungsprojekten bilden sich Bürger*inneninitiativen für den Erhalt des Status Quo.
Zwischen Nürnberger-, Paul-Gossen- und Stintzingstraße erstreckt sich eine alte Wohnanlage der GBW Gruppe, durch Aufstockung und Neubauten sollen hier in den nächsten drei Jahren ca. 300-400 zusätzliche Wohneinheiten entstehen. Die genehmigungsrechtliche Grundlage ist der Bebauungsplan 345 Hans-Geiger-Straße, der vom Stadtrat mit großer Mehrheit beschlossen wurde. Bei der Bürger*innenbeteiligung im Vorfeld wurden die konkreten Planungen offengelegt.
In letzter Zeit zogen besonders die Rodungsarbeiten im Baumbestand viel Ärger und Enttäuschung nach sich. Unterstellt wird auch, dass diese entgegen bisheriger Verlautbarungen von größerem Ausmaß seien und der Baumschutz missachtet werde.

In vielen Diskussionen hat die grüne Bürgermeisterin Susanne Lender-Cassens jedoch darauf hingewiesen, dass mit Hilfe der Erlanger Baumschutzverordnung ein umfassender Ausgleich vorgeschrieben werden konnte: Von den 670 nach Baumschutzverordnung geschützten Bäumen, die im Zuge der Baumaßnahmen gerodet werden, muss die GBW 600 Bäume nachpflanzen. Die restlichen 70 Bäume werden durch Dachbegrünungen ausgeglichen. Durch Umplanungen bleiben besonders prägende Altbäume erhalten. Um eine Gruppe von 16 Buchen zu schützen, wurde auf den Bau eines Punkthauses verzichtet. In vielen anderen Städten gibt es entweder keine Baumschutzverordnung, oder es sind der Schutz von Weiden, Pappeln und Nadelbäumen und die damit verbundenen Ausgleichsforderungen ausgenommen.

Zu den geäußerten artenschutzrechtlichen Bedenken führt das Umweltamt aus, welch hoher Aufwand betrieben wird: Es gibt eine ökologische Baubegleitung, die darauf achtet, dass die Ergebnisse aus den im Vorfeld erstellten Bestandsaufnahmen und Gutachten auch umgesetzt werden: Ausgleichsmaßnahmen in Form von Nisthilfen, Spechtbäumen, und der Erhalt von Sandmagerrasenflächen. Alle Bäume werden mit einer Endoskopkamera überprüft und nur unbewohnte Bäume zur Fällung freigegeben.

Trotzdem sind die Proteste der Anwohner*innen verständlich: Selbst sorgfältig durchgeführte Nachverdichtungsmaßnahmen beeinträchtigen die Qualität des bestehenden Wohnumfeldes und hinterlassen einen ökologischen Fußabdruck.

Die andere Seite: Auch die Knappheit an städtischem Wohnraum hat weitreichende ökologische Konsequenzen. Viele in Erlangen Beschäftigte finden keine geeignete Wohnung in der Stadt, ziehen deshalb ins Umland und pendeln täglich mit dem Auto zur Arbeit. Erlangen verzeichnet eine Einpendlerquote von 68,9%, das sind über 60.000 Menschen, die jeden Tag meistens mit dem Auto nach Erlangen fahren. Autos, die Emissionen in Form von Feinstaub, Stickoxiden und Lärm in einem Umfang in die Stadt bringen, der nicht durch Bäume ausgeglichen werden kann.

Die Entscheidung zwischen Erhalt von Bäumen und der Schaffung von neuem Wohnraum ist immer eine Abwägungsfrage, bei der alle Seiten Kompromisse eingehen müssen. Zusätzlicher Wohnungsbau an dieser Stelle ist auch aus Sicht des Umweltschutzes eine bessere Lösung als die Ausweisung neuer Siedlungsgebiete am Stadtrand.

Denn die Zersiedlung schreitet ungebremst voran, wenn nicht im städtischen Raum zusätzliche Wohnungen geschaffen werden. Der Flächenfraß in Bayern beträgt ca.13 Hektar pro Tag. Das entspricht in etwa 18 Fußballfeldern. Pro Jahr werden also rund 48 Quadratkilometer Freifläche in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt.

Wohnraum zu schaffen ist eine komplexe Aufgabe. Der Bedarf an Wohnfläche ist in Deutschland rasant gestiegen: 1960 betrug der durchschnittliche Bedarf knapp 20 qm pro Einwohner*in – heute sind es 47 qm. Für Wohnungsneubau werden die knappen noch zur Verfügung stehenden innerstädtischen Flächen bald aufgebraucht sein. In deutschen Großstädten lebt in der Hälfte aller Haushalte nur eine Person im Schnitt auf rund 80 Quadratmeter. Es wird die Bedarfs- und Verteilungsfrage gestellt werden müssen.

Leider stimmen zwar nahezu alle darin überein, dass zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden muss. Jedoch ist die Bereitschaft nicht so groß, den Status Quo vor der eigenen Haustüre oder im eigenen Quartier zu ändern. Diese Herausforderung kann nur mit Kompromissen gemeistert werden.

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